2014-10 UZ-04 Chiwa

Mittwoch, 22.10.2014
Chiwas Altstadt ist in erster Linie ein Freiluftmuseum. Innerhalb der Stadtmauern wohnen nur wenige Menschen, dafür reiht sich Medrese an Moschee an Mausoleum.Bild-0626

Was kann ich schreiben, was man nicht auch viel besser in einem Reiseführer nachlesen könnte? Folgendes vielleicht:

  • Am Nordtor kann man auf die ungesicherte und etwas baufällige Stadtmauer klettern und hat von dort einen schönen Blick über die Stadt.
  • Ab acht Uhr werden die Bürgersteige hoch geklappt. Wer trotzdem noch etwas trinken gehen möchte, sollte es auf der Ostseite außerhalb der alten Stadtmauer versuchen. Dort gibt es ein Speiselokal mit Bierausschank. Hier treffen wir uns mit den Spaniern Etheria und Alvaro, ein nettes Paar in unserem Alter, das beruflich wie privat nur am Reisen ist und keinen festen Wohnsitz hat. Sie werden uns wohl im Frühjahr in Deutschland besuchen kommen.

Donnerstag, 23.10.2014
Zum dritten Mal auf dieser Reise bauen wir den Kühler aus, der schon wieder undicht ist.
(Regieanweisung:  An dieser Stelle ertönt lautes und unflätiges Gefluche, das mehrere Minuten lang andauert!)

Ausbau, Reparatur und Einbau gehen uns inzwischen in Formel-Eins-Geschwindigkeit von der Hand.

Bild-0704

Freitag, 24.10.2014
Dank geschenkter Eintrittskarten von zwei Schweizern kommen wir endlich in den Genuss von richtigem Sightseeing. So haben wir uns ca. 24 Dollar gespart, die wir sogleich in weitere Teetassen investieren.

Wir besuchen so ziemlich jede Koranschule und Moschee, die mit dem Mehrtagesticket zu besichtigen ist. Besonders schön ist die Juma-Moschee. Zwar ist sie von außen recht unscheinbar, drinnen befinden sich aber über 200 mit Schnitzereien verzierte Holzsäulen. Das Licht fällt durch zwei verglaste Lichtschächte von oben in den Raum.Bild-0794

Und hier noch ein paar Kuriositäten, die wahrscheinlich auch nicht in jedem Reiseführer stehen:

  • Im echt langweiligen Musikmuseum  (Museumspädagogik und eine anständige Beleuchtung müssen in Chiwa erst noch erfunden werden) sollte man sich den Fernseher mit der Musikvideosammlung einschalten lassen. Da sind ein paar wirklich kuriose Sachen dabei,  zum Beispiel der Musikfilm sowjetischer Produktion von 1981 „Xiva vaqti bilan ettida – Xivacha ajvalish“ über die Musikszene von Chiwa. Das ist unfreiwillig komisch. Hier sieht man lustige, tanzende Männer, die mit Tellern trommeln und dazu ganz drollig mit dem Kopf wackeln oder Vogelgesang imitieren.
  • Im Kunstmuseum kann man die eigenwilligen Bilder eines surrealistischen Malers bewundern.
  • Im Naturkundemuseum sollte man keinesfalls die Abteilungen „Obst“ und „Gemüse“ verpassen. In Schauschränken werden Plastikfrüchte zur Schau gestellt. Auch die Abteilung „Wüstenleben”, mit räudigen, ausgestopften Tieren in eigenartigen Arrangements sorgt für Erheiterung. Beim menschlichen Fötus ohne Gehirn, in der Abteilung „Drogen sind eine große Gefahr“, werden wir wieder ernst. Die lebenden Schildkröten in der Abteilung in „Formaldehyd eingelegte Reptilien“ müssten unserer Meinung nach nicht sein.

Alles in allem haben wir heute viel gesehen und uns dabei ziemlich gut unterhalten.Bild-0808



Samstag, 25.10.2014
Wir sind faul und surfen im Internet.

Abends erkunden wir die Disco außerhalb des Westtors, die in einer alten Medrese untergbracht ist, eigentlich eine super Location. Aber es folgt einer der seltsamsten Clubbesuche meines Lebens: Neben den drei Besitzern sind außer uns nur noch zwei deutsche junge Touristinnen und eine Schweizerin in dem großen Saal. Es läuft Kuschelsoul und der Fernseher. Wir bitten einen der Besitzer doch mal was flotteres aufzulegen. Eine Stunde lang tanzen fünf Touristen und drei Usbeken wild auf dem Dancefloor. Danach Musik aus, jeder noch ein Bier und Rauswurf um 23.30 Uhr. Samstagabend in Chiwa, Usbekistan.

Sonntag, 26.10.2014
Es hat einen enormen Temperatursturz gegeben: Ein eisiger Wind erfordert eine Winterjacke.
Wir schaffen den Absprung von Chiwa und fahren Richtung Norden zu der alten Festung Torpak Kala. Dort gebärdet sich unser Hund wie ein wild gewordener (Hobby)wolf. Er springt und läuft durch den weichen Sand und grunzt vor Vergnügen. Eine französische Reisegruppe versetzt er dadurch in Angst und Schrecken. Bald merken sie aber, dass keine Gefahr von ihm ausgeht und Sidi ist nun interessanter, als die Ausführungen des usbekischen Reiseleiters.

Es ist unglaublich kalt. Das erste Mal auf dieser Reise werfen wir unseren Ofen an.

Montag, 27.10.2014
Eisblumen an den Fenstern.
Wir bekommen Besuch von Pulat, einem jungen Mann, dessen Familie bei der Festung ein kleines Jurtencamp unterhält. Er wundert sich, dass wir nun schon seit gestern Abend hier stehen, normalerweise liegt die durchschnittliche Verweildauer vor Ort bei maximal einer Stunde. Er erzählt uns, dass er in Woronjensch in Russland auf dem Bau arbeite, um seine kasachische Frau und den kleinen Sohn Renat ernähren zu können. Woronjesch liegt über 2500 Kilometer entfernt, diese Strecke fahre er normalerweise innerhalb von zwei Tagen – ohne zu schlafen.
Am eilig herbeigeholten Notebook zeigt er uns Bilder seiner Familie und der Arbeitskollegen in Russland.

Wir möchten noch ein weniger näher an die Grenze fahren, damit wir morgen möglichst früh nach Turkmenistan einreisen können. Aber das ist nicht ganz so einfach. Blind haben wir unserer Landkarte von Reise-Know-How vertraut. Dort ist im Norden von Turkmenistan nur der Grenzübergang bei Manghit – Gubadag eingezeichnet. Aber die Straße dorthin wird immer weniger befahrbar, die Brücke bei Qaratav ist nicht passierbar, riesige Löcher machen ein Weiterfahren unmöglich. Da die Brücke aber nicht abgesperrt ist, fahren munter alle möglichen Fahrzeuge auf die marode Eisenkonstruktion. Wir müssen mitten auf der Brücke im allgemeinen Verkehrschaos umdrehen. Bei Manghit kommt man zwar über den Fluss, aber der Grenzübergang ist wohl schon seit Jahren nicht mehr geöffnet. Auf dem Grenzstreifen, wachsen Büsche. Betonelemente versperren die Straße. Trotzdem hat uns noch ein Straßenpolizist kurz vorher einen guten Grenzübertritt gewünscht. Auch sonst weiß in dem gottverlassenen Kaff niemand eine rechte Auskunft zu geben. Wo ist der nächste Grenzübergang nach Turkmenistan? Achselzucken, vage Geste in Richtung der nahen Grenze. Dort ist Turkmenistan, aber wie man da rüber kommt, keine Ahnung. Alle Männer im Ort sind schwer betrunken, stinken nach Alkohol und können uns nicht weiter helfen. Klar, dass auch unser Internetmodem hier nicht funktioniert. Im einzigen Internetcafe vor Ort, gibt es nicht einmal einen Computer, bzw. dieser muss erst herbeigeschafft werden. Im allwissenden Netz finden wir dann die Antwort: Ein Grenzübergang befindet sich in der Nähe von Nukus, ein weiterer bei Shavat. Ein Blick auf unser Turkmensitanvisum sorgt für weitere Aufklärung, dort ist der Grenzübergang Dashoguz eingetragen, also müssen wir nach Shavat.

Mitten in der Nacht stellen wir uns kurz vor der Grenze in ein Baumwollfeld. Die von der Ferne so hässliche Baumwolle ist von der Nähe betrachtet übrigens eine echte Schönheit.

Bild-1066

Weiter lesen: Darvaza Gas Krater, Turkmenistan
Und das war vorher: Buchara, Usbekistan und die Wüste Kizilkum

2 Gedanken zu „2014-10 UZ-04 Chiwa

  1. Peter Hecht

    Hallo Ihr beiden,

    ich bin der, der Euch an der Stadtmauer von Chiva entdeckt hat. Mittlerweile bin ich im kalten Deutschland zurück.
    >> Wenn ich Euch bei der weiteren Durchführung Eurer Tour irgendwie mit Informatioinen weiterhelfen kann, lasst es mich bitte wissen.

    Ich wüsch Euch einen guten Verlauf und eine erfolgreich Streckenplanung

    Der Peter

Kommentare sind geschlossen.