2015-03 AR-02 Klöster

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Montag, 23.02.2015
Armenien rühmt sich neben Äthiopien eine der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt zu sein. Viele Klosteranlagen zeugen von einer bewegten Vergangenheit, sind aber auch immer noch Teil einer gelebten Gegenwart.

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Ein überdimensioniertes Christusplakat weist uns dem Weg zum Kloster Noravank, gleich danach sieht man Werbung für Hochprozentiges. „Jesus Christus und Wodka“ das fühlt sich dann doch irgendwie vertrauter an  als „Ya Hossein und Wasserpfeife“. Bitte solche Sätze nicht falsch verstehen, aber auf Reisen lernt man eben auch viel über sich selbst. Und neben all dem Respekt und Interesse für fremde Kulturen empfindet man dann plötzlich eine gewisse – manchmal auch (für einen selbst) überraschende – Freude beim Wiedererkennen der eigenen kulturellen Identität. So ergeht es uns gerade.

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Das Kloster liegt wunderschön und einsam inmitten der Berge. Wir sind alleine hier. Rote Felsen bilden einen markanten Hintergrund. Uns fallen die sorgfältig bearbeiteten, steinernen Grabmale ins Auge. Keltisch anmutende Kreuze wachsen zu ornamentalen Lebensbäumen. Die sogenannten „Kachkahrs“ werden von den Armeniern für Glücksbringer gehalten. Wahrscheinlich ist dieser Glaube darauf zurückzuführen, dass die bildhauerischen Meisterwerke besonders schwierig anzufertigen waren und teuer bezahlt werden mussten.

Ein Hauch von Frühling liegt in der Luft. Ein paar mutige Blümchen strecken ihre Köpfe neugierig unter dem schmelzenden Schnee hervor.

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Dienstag, 24.02.2015
Vom Kloster Chor Virap – nahe der türkischen Grenze – kann man ihn besonders gut sehen, – den mächtigen Berg Ararat. Scheinbar basislos schwebt er vor uns in der Luft, wie ein Phantom. Der untere Teil ist wolkenverhangen, doch das obere Drittel ist gut zu erkennen. Einer der höchsten Berge Europas ist er. Faktisch gehört er zur Türkei, doch auch für die Armenier scheint er eine wichtige Stellung einzunehmen. Ich bin geschichtlich schlecht informiert, aber irgendetwas Schreckliches scheint zwischen Türken und Armeniern vorgefallen zu sein. Die Beziehungen sind nachhaltig gestört; es gibt keine gemeinsamen Grenzübergänge._MG_7485

Mittwoch, 25.02.2015
„Mayr Hayastan“, die Mutter von Armenien, hält schützend ihr Schwert über uns.
Bei einem derart symbolträchtigen und stadtnahen Stellplatz kann nichts schief gehen. Über die sogenannten Kaskaden, einer monumentalen Treppen- und Brunnenanlage mit integriertem Museum, gelangen wir direkt in das kulturelle Stadtzentrum der armenischen Hauptstadt Jerewan. Große Tier- und Menschenskulpturen zieren den Platz am Fuße des Berges vor der Oper.

Unser touristisches Programm geht direkt in die Erforschung der städtischen Trinkkultur Jerewans über. Wir sind entzückt: Nach den entbehrungsreichen Wochen und Monaten in den muslimischen Ländern finden wir hier knapp bekleidete Kellnerinnen, tätowierte Barkeeper und ein gemischtgeschlechtlich urbanes Publikum vor. Rundum glücklich sind wir mit Bier vom Fass, zuerst im Woodrock und dann im Hemingways. Irgendwann tanzen wir dann und bekommen vom Thekenpersonal stark alkoholische Getränke spendiert…

_MG_7512Donnerstag, 26.02.2015
Keine Ahnung, wie wir gestern den Berg wieder hoch zu unserem LKW gekommen sind! Mir geht es fürchterlich. Die Mutter von Armenien droht mir mit ihrem elf Meter langen Schwert, ja keine Sauerei zu ihren Füßen zu machen. Ich bemühe mich redlich…

Am Nachmittag bin ich dann endlich soweit, einen kleinen Ausflug in die Stadt zu wagen. Wir lassen uns mit dem Taxi zum jungen Kulturzentrum „Npak“ fahren. Dort finden wir aber nur eine ziemlich kitschige Ausstellung im Mangastil gemalter Mädchenfiguren vor. Lustiger ist da schon der Kunsthandwerkermarkt vor der Tür: Hier gibt es eine krude Mischung aus unsäglichen Ölschinken, Russlanddevotionalien, gravierten Knochenketten mit Christus-, Totenkopf- und Würfelsymbolen (Ich kann leider nicht herausfinden, wofür die gut sein sollen) und Selbstgehäkeltem zu kaufen.

Einen angenehmen und alkoholfreien Ausklang findet dieser Tag im leicht überambitionierten Öko-, Fairtrade-, Nichtraucher-, Hilfsprojekt- und Tierfreund-Café „Green Beans“. Das dynamische, schweizer-armenische Besitzerpaar gibt sich große Mühe. alles richtig zu machen. Der Punkt „Nichtraucher“ ist auf jeden Fall eine lobenswerte Idee im sehr raucherfreundlichen Armenien.

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_MG_7532Freitag, 27.02.2015
Weinend stehe ich im Kloster Gehardt.
Wie konnte das passieren? Vor mir steht das Frauen-Quintett Luys und singt so engelsgleich und herzerweichend armenische Kirchenlieder, dass ich einfach nicht anders kann. Bei Musik bin ich manchmal echt empfindlich.

Das Kloster ist auch ohne musikalische Untermalung reichlich faszinierend. Weite Teile der Anlage wurden in den bloßen Felsen geschlagen. Die dunklen höhlenartigen Räume werden von seltsamen Tiersymbolen verziert. Eine Quelle entspringt mitten im Raum und fließt über eine Rinne im Boden ab. Nur vereinzelt fällt Licht durch runde Löcher in die Kammern. Der Lonely Planet schreibt dazu sinngemäß: „Man erwartet förmlich Indiana Jones durch das dunkle Gemäuer laufen zu sehen“. Stimmt, eine derartige Begegnung würde uns hier nicht verwundern.

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