2015-03 GE-01 Georgien

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Fortsetzung 28.02.2015
In Georgien gefällt es uns spontan sehr gut. Das Klima ist um einiges angenehmer als auf der armenischen Seite. Herrschte dort eben noch bitterer Winter, so liegt hier plötzlich kaum noch Schnee, und es ist deutlich wärmer. Die Berghänge links und recht der kurvenreichen Straße sind von einem langstieligen, goldenen Gras bewachsen. Ein wilder, brauner Fluss schlängelt sich durch ein felsiges Tal. Wir halten an und besuchen die Ruine der Festung Khertvisi. Zwei Straßenhunde folgen uns hartnäckig. Die blonde Hündin macht unserem Sidi schöne Augen. Dieser ist einem kleinen Flirt nicht abgeneigt.

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In unserer Landkarte sind in dieser Gegend zahlreiche Quellen verzeichnet. In einem kleinen Lebensmittelgeschäft fragen wir nach einer Thermalquelle. Die hübsche Verkäuferin weist uns den Weg in das Seitental. Nach mehrmaligem Fragen landen wir schließlich bei einem Gelände mit heruntergekommenen Gebäuden direkt am Fluss. Das Badehaus selbst ist ein baufälliger, lichtloser Schuppen, der über einem schmuddeligen Becken erbaut wurde. Da haben wir nun wirklich ein Händchen dafür, so etwas aufzuspüren. Mittlerweile kann ich einen Reiseführer allein über verlotterte Thermalquellen schreiben, Titel: „Der morbide Charme der Heilbäder – Serbien bis Tadschikistan“. Der Besitzer, den man normalerweise erst telefonisch verständigen muss (er hat den Schlüssel zur Badeanstalt), ist ohnehin vor Ort. Eine Gruppe armenischstämmiger Georgier möchte ebenfalls die Therme nutzen. Die fröhliche Männerrunde feiert die Geburt eines Kindes. Über einem offenen Feuer köchelt ein großer Topf mit Hammelstücken. Dazu fließt reichlich Wodka. Wir werden sogleich dazu gebeten. Es dauert nicht lange, und wir trinken auf unsere neu geschlossene, georgisch-armenisch-deutsche Freundschaft mit Gigir, Vahan und wie sie alle heißen. Zum Glück erweisen sie sich auch nach dem Genuss größerer Mengen alkoholischer Getränke als umgänglich. Wir tanzen ein bisschen zu Musik aus dem Autoradio, die Jungen singen ein schwermütiges Lied über das Armeniersein in Georgien, und schon ist es Zeit für den ersten Thermalbadgang. Ich bleibe unterdessen im Auto, denn ich habe wenig Lust, mit einer Gruppe angetrunkener Männer im Halbdunkel zu saunieren. Später am Abend habe ich das Becken ganz für mich alleine. Fast alleine. Der Besitzer lässt es sich nicht nehmen, öfter mal durch den Türspalt zu linsen und sich nach meinem Befinden zu erkundigen…

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Sonntag, 01.03.2015
Varzina ist ein magischer Ort. In die sonnenbeschienene Südseite des Berghanges wurden hunderte von Kirchen und Mönchsklausen in den blanken Felsen geschlagen. Und so entstand in den Jahren 1156-1203 unter der Königin Tamara eine der größten Klosteranlagen jener Zeit. Später wurde der Ort von den Mongolen überfallen und noch etwas später von den Persern. Viele Reichtümer verschwanden auf diese Weise, doch eines konnte man diesem Ort nie nehmen: Er strahlt eine überirdische Ruhe und Schönheit aus. Ich gebe zu, das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir außerhalb der Saison hier sind. Wir sind weit und breit die einzigen Touristen.

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Noch immer wohnt eine Handvoll Mönche in den einfachen Felsunterkünften. Wir haben Glück und stoßen zu einem Gottesdienst dazu. Außer uns wird nur eine dreiköpfige, georgische Familie Zeuge des feierlichen Spektakels. Das anwesende, professionelle Personal übertrifft zahlenmäßig die Zuschauer. Da gibt es einen schwarz Gewandeten, der hinten links am Rednerpult an seinen Fingernägeln pult und die Sätze des gold gekleideten Hauptpriesters vervollständigt. Dieser hantiert – dem Publikum stets den Rücken zuwendend – in einem wenig einsichtigen Hinterraum, raschelt mit Plastiktüten, schwenkt Kelche und reich bestickte Tücher. Dann gibt es einen Blauen, der bühnenreif durch Türen tritt, um kurz darauf wieder im Off zu verschwinden. Einer in Rot spricht stetig mit dem Heiligenbild zur Rechten. Ein weiterer in Schwarz – wohl ein Assistent – eilt eifrig zwischen den Hauptakteuren hin und her. Ein Mesner wird außerdem noch benötigt, um die drei schönen Glocken vor der Kirche in Gang zu setzen. Großer Hokuspokus! Ich bin auf jeden Fall mächtig beeindruckt von den hübschen orthodoxen Priestern, die mit ihren langen Haaren und den dichten Vollbärten jeden amerikanischen Neo-Folk Sänger ziemlich brav aussehen lassen.

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Im Nonnenkloster ein paar Kilometer weiter geht es pragmatischer zu. Die Nonnen wohnen auf einem gepflegten Hof in schönster Berglage. Die meisten telefonieren gerade mit ihrem Handy, manche sitzen in der Sonne auf der Terrasse und beobachten den langhaarigen Priester, der zum Holzhacken abgestellt ist. Sollte ich etwa Nonne in Georgien werden?

Montag, 02.03.2015
Die Taxifahrer in Akhaltshize geben uns den dringenden Rat, nicht über den Pass in Richtung Batumi zu fahren. (Straße sehr schlecht und meterhoher Schnee) . Nun gut, wir glauben besser den Profis und nehmen 200 Kilometer Umweg in Kauf. Aber wahrscheinlich ist es wirklich besser so. Bereits auf den tieferen Höhenlagen setzt ein leichter Schneeregen ein. Unterwegs sammeln wir zwei blutjunge, polnische Radfahrer ein, die sich die letzten zwei Wochen über die Türkei und Georgien durch Schnee und Regen gekämpft haben. Voijtek und Phillip sind nun entsprechend angeschlagen, auch das Rad des einen ist stark reparierungsbedürftig. Wir fahren die beiden bis zum nächsten größeren Ort und verabschieden uns mit einem dieser gestellten Reisebekanntschaftsfotos, die man komischerweise immer nur mit den eher oberflächlicheren Begegnungen macht. Von den Menschen, mit denen wir mehr Zeit verbracht haben, habe ich seltsamerweise immer fast keine Bilder…

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Weiter lesen: Batumi
Und das war vorher: Die Hundefänger von Gyumri, Armenien

5 Gedanken zu „2015-03 GE-01 Georgien

  1. Carmen

    oje, war das jetzt wirklich der letzte eintrag…. oder beinahe letzter eintrag aus fernen ländern… 🙁
    Mir gehts genauso… hin und hergerissen… will doch noch so gerne weiterlesen 🙁
    Also, was wollt ihr denn bei uns leckeres schmausen?? Dürft jetzt noch wünsche abgeben…
    Ein paar Kisten Bier sind schon mal fix…

    😉 see you soon

  2. Timo

    Man ist schon sehr hin- und hergerissen: zwischen dem Wunsch, weiterhin Eure Reise durch eifriges Mitlesen noch viel länger verfolgen zu wollen und der riesigen Vorfreude auf ein baldiges (!) Wiedersehen.
    Weiterhin gute Heimfahrt und einwandfreien Westempfang!

    P.S.: Auch Regensburg schält sich gerade aus dem winterlichen Schlafsack und wird grad wieder wunderbar!

    Timo.

  3. Marianne

    Liebe Berrit,
    ich stell mir gerade vor, wie du als Nonne in Georgien dein Leben fristest, per handy mit Heppo verbunden bist und dazu den holzhackenden Mönch versonnen anhimmelst und in Gebeten noch immer die armenischen Hundefänger verfluchst.
    Na, ich hoffe ihr seid inzwischen schon fast daheim und freut euch auf die Hochzeit.
    wir sind gerade am Euphrat bei einer Vogelstation und werden morgen die Waldrappen beobachten mit ihrem lustigen Haarputz.
    alles Liebe von Marianne und Uli

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