2014-07 KZ-05 Sharyn Wald & Canyon

Matze-Seidenstrasse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 18.07.2014

Mist, ich bin erkältet! War wohl doch ein bisschen viel Stress in letzter Zeit.

Wir sind nun auf der Seidenstraße, weniger eine Straße als ein Netz aus Wegen, die einst dazu dienten, kostbare Güter über weite Strecken zu transportieren. Wie muss das erst damals gewesen sein? Auf dem Rücken eines Kamels durch diese Wüste reitend, bedroht von Hitze, Wassermangel und Banditen? Apropos Kamel: Wir sehen die ersten Vertreter ihrer Art auf unserer Reise. Oder sind es Dromedare? Ich verwechsle die immer…

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Als wir über den Altyn Emel Pass mit 1711 Metern fahren, wähne ich mich im Fieberdelirium. Die Bergkämme vor uns schweben basislos in der Luft und sind an der Rändern ausgefranst. So etwas habe ich noch nie gesehen. Aber auch Heppo und Matthias können das Phänomen wahrnehmen. Die flirrende Hitze nimmt den Bergen Stand und Substanz: Eine Fata Morgana.

Mittagspause machen wir in Köktal und essen in der Kantine noch einmal „Lachmann“. Leider gibt es keine vegetarischen Gerichte. Wir wollen jedoch das Fleischessen auch nicht zu sehr einreißen lassen. Aber einmal gönnen wir uns das leckere Nudelgericht noch.

Abends kommen wir am Sharyn Nationalpark an. In einer absolut trockenen Steinwüstenebene  hat der Fluss Sharyn nicht nur tiefe, canyonartige Krater, sondern auch einen Reliktwald entstehen lassen, der seit der Eiszeit in dieser Form erhalten ist. Angeblich gibt es Riesenbäume in einem eingezäunten Bereich. Morgen wollen wir uns das ansehen.

Samstag, 19.07.2014
Als wir in der Frühe  vor dem Zaun zu den Riesenbäumen stehen, ist alles verriegelt und abgeschlossen. „Wie ein Hochsicherheitstrakt!“, denke ich mir: Zwei Stahlzäune, Schlösser, Ketten und Wachhunde. Die Parkwächterin kommt träge und mürrisch aus dem Haus. Ich sehe noch, wie sich ihre Augen weiten, als sie unseren Hund erblickt. „Oh, ein Hund!“ Und da kommt schon ein großer, weißer Rüde heran geschossen und schlüpft unter dem Stahlzaun durch. Wie eine Furie geht er auf den angeleinten Sidi los und beginnt ihn zu beißen und zu attackieren. Heppo versucht, Sidi mit Fußtritten zu verteidigen, Matthias und ich werfen mit Steinen. Ich höre mich selbst spitze Schreie ausstoßen, aber die dämliche Besitzerin steht bewegungslos auf der anderen Seite des Zaunes. Das aggressive Hundsvieh lässt nicht ab, und Sidi ist zu überrascht oder zu unterlegen, um sich richtig zu wehren. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat das Monster genug von Steinen und Fußtritten und zieht sich zurück. Wie durch ein Wunder ist Sidi unverletzt, und auch Heppo hat nichts abbekommen.

Mir langt’s nun endgültig. Sch… auf den Reliktwald und die dämliche Parkwächterin, die nicht mal den Anstand hat, nachzufragen, ob bei uns alles in Ordnung sei. Ich habe dermaßen die Schnauze voll!!!

Da unser Platz etwas abseits des umzäunten Bereichs und vor allem schattig ist (ein kostbares Gut im glutheißen Kasachstan), bleiben wir aber noch.

Um das Maß der Dinge voll zu machen, kommt abends der Mann der Parkwächterin sturzbetrunken bei uns vorbei, aber nicht etwa, um sich zu entschuldigen, sondern um uns einzuschüchtern. Er baut sich vor uns auf, verlangt unser Eintrittsbilett zu sehen, das wir erst kurz vorher von zwei Parkrangern erstanden haben und gibt mir einen fast gewaltsamen, ekelhaften nach Schnaps riechenden Wangenkuss. In einem Land, in dem Männer fremden Frauen nicht einmal die Hand geben, weil man die Frau eines anderen nicht anfasst, ist das absolut unangebracht. Mir ist schlecht!

Sonntag, 20.07.2014
Heute sieht schon wieder alles anders aus. Meine Laune hat sich deutlich gebessert. Nur ca. 40 Kilometer weiter befindet sich der zugängliche Teil des Sharyn Canyons. Angeblich ist es der zweitgrößte Canyon der Welt: 154 Kilometer lang und bis zu 350 Meter tief.

Kurz vor dem Canyon treffen wir Daniel aus Passau, der die ganze Strecke auf dem Fahrrad zurückgelegt hat und kaum länger unterwegs ist als wir. Respekt!

Matze-Gruppenfoto-Radler

Maximal fünfzehn Autos stehen oben an den ungesicherten Klippen. Der Eintrittspreis (685 Tenge pro Person) sorgt  wohl dafür, dass das Gelände sauber und unvermüllt ist – leider nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit in Kasachstan. Ein Teil der Schlucht ist für PKWs befahrbar, für unseren LKW allerdings nicht, denn es gibt eine Passage, die durch ein niedriges Felstor führt. Wir wollen jedoch sowieso lieber zu Fuß den Canyon erkunden. Ein steiler Fußpfad führt nach unten, dann kann man circa drei Kilometer einen Seitencanyon entlang wandern, bis man zum Hauptcanyon kommt. Hat es oben an den Kippen bereits vierzig Grad, so ist es unten noch einmal mindestens fünf Grad wärmer. Die Felsformationen sind fantastisch und erinnern an Skulpturen, Fabelwesen und Burgruinen. Auf dem Weg treffen wir eine aufgedrehte, junge Kasachin mit ihrem italienischen Freund Marco:  Smalltalk und Fotosession.

Im Hauptcanyon fließt der Sharyn und macht eine weitere Wanderung unmöglich, was wir schade finden. Es gibt einen kleinen Parkplatz, Badestellen, ein paar Strohhütten, die man mieten kann, einige Jurten und kleine Cafés, alles  liebevoll gebaut von usbekischen Zimmerleuten, die in Kasachstan als Gastarbeiter tätig sind. Wir pausieren in einem der Cafés und vertrinken wahrscheinlich den Tageslohn eines usbekischen Zimmermanns in Form von Softdrinks und Bier. Ungerechte Welt!

Matze-Sharyn-Canyon-Zelt

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Und das war zuvor: Taldyqorghan