2014-08 KS-01 Grenze & Nomaden

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Montag, 28.07.2014
Eigentlich sind es nur 100 Kilometer, aber da die Straßen so schlecht sind, brauchen wir mehrere Stunden bis zur Grenze bei Karkara. Unterwegs treffen wir Lawrence aus London, der mit einem selbstgebauten Lastenfahrrad unterwegs ist. Er warnt uns vor, dass die letzten 20 Kilometer vor der Grenze nur noch eine Schotterpiste existiert.Bild-5722

Und tatsächlich, der Weg bis zum Grenzübergang Karkara ist eine wenig repräsentative Wellblechpiste. Dafür ist es aber landschaftlich um so schöner. Wir schrauben uns langsam aber kontinuierlich auf eine Höhe von 2000 Metern hoch. Die Berge rundum gleichen schroffen Hügeln und lassen die wahre Höhe nicht ahnen. Plötzlich gibt es auch Nomaden oder Halbnomaden, die in Jurten wohnen. Pferde und Kühe grasen in perfekter Idylle vor dem Zelt. Fast sind wir versucht, noch eine Nacht hier zu bleiben, aber wir entscheiden uns dann doch für Kirgistan.

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An der Grenze ist fast nichts los. Die Zöllner sind entspannt und interessieren sich nur für Fußball. „Deutschland, Weltmeister! Wirklich toll gespielt. 7 zu 1 gegen Brasilien!“

Bei der Gesichtskontrolle spiele ich den Clown vor der Videokamera. Posieren, mit oder ohne Hut? Das finden alle lustig und schon war es das. Wir sind in Kirgistan.

Das Wetter ist regnerisch und kühl. Kühl heißt circa 20 Grad. Aber für uns fühlt sich das schon richtig kalt an.

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Schon seit Russland ist uns immer wieder aufgefallen, dass es Leute gibt, die im Bauwagen wohnen. Bisher dachte ich ja immer, dass wegen den langen Wintern spätestens ab Polen Schluss sei mit der Wagenbewohnerei. Aber auch in Kasachstan gab es zum Beispiel Imker, die im Lastwagen wohnen und einen Anhänger voller Bienenstöcke mit sich führen. Und jetzt in Kirgistan sehen wir nur noch Bauwagen. Die Jurte, die hier übrigens Bosü heißt, hat fast ausgedient. Und so reiht sich Postkartenmotiv an Postkartenmotiv: Bauwagen neben Pferdekoppeln neben Bienenlastern neben Bosü.

Wir sind neugierig, wie so ein kirgisischer Bauwagen wohl eingerichtet ist. Frech laden wir uns kurzerhand selbst ein und fragen bei einer kirgisischen Familie an, ob wir uns einfach mit unserem Laster dazu stellen dürfen. Klar, dass man hier nicht nein sagt. Vater und Mutter und eine große Schar Kleinkinder sind zwar gerade auf dem Weg ins Dorf, aber die drei jungen Burschen zwischen 20 und 23 freuen sich über die willkommene Abwechslung und unseren Besuch. Der Wagen ist pragmatisch eingerichtet. Gleich am Eingang ist die Küche. Über einer Schnur sind Fleischstücke zum Trocknen aufgehängt. Es riecht ungewohnt. Der linke Teil besteht aus einem Sitzpodest, einem niedrigen Tisch und Polsterauflagen am Boden. Das Dach ist undicht und es tropft auf die Sitzpolster. Rechts befindet sich ein Schlafzimmer. Dort wird auch der Kumis in einem Holzfass vergoren.

Wir bekommen eine Einführung: Auf den Rest Kumis im Fass wird neue Stutenmilch gegossen. Durch ein Loch im Deckel wird mit einem Holzstampfer Luft in die Milch gedrückt. Das muss man dann ungefähr 20 Minuten lang machen, und spätestens am nächsten Tag gibt es neuen Kumis. Natürlich dürfen wir nun auch probieren. Dieser hier schmeckt etwas gewöhnungsbedürftig, wild und säuerlich. Unsere mitgebrachten Süßigkeiten aus Kasachstan, Gummibärchen aus Deutschland und weitere Kleinigkeiten wie Streichhölzer, Teelichter und Buttons kommen gut an. Die Jungs lassen es sich nicht nehmen, uns eine Kleinigkeit zum Essen zu servieren. Es gibt „Beshbarmak“, was so viel heißt wie „Fünf Finger“, also „Fingerfood“. Wir bekommen netterweise einen Löffel dazu, denn die Suppe aus ausgekochtem Hammelfett mit zerkochten Nudeln und großen Fettstücken, wäre mit den Fingern nur schwer zu essen. Das Gericht ist nicht so ganz mein Fall, auch Matthias versucht zu schlucken, ohne zu schmecken. Nur Heppo lässt sich noch einen Nachschlag geben.

Da unsere Gastgeber unauffällig gähnen und morgen zeitig aufstehen müssen, gehen wir bald ins Bett. Ein heftiges Gewitter zieht über uns hinweg.

Dienstag, 29.07.2014
Wir revanchieren uns bei den netten Jungs, deren Namen leider unmerkbar sind, mit einem leckeren Frühstück: Bohnenkaffee, gekochte Eiern, Kekse und Schokocreme. Ein Standerl auf der Steyrischen gibt’s dazu. Dafür dürfen wir noch einen Blick in das Bosü werfen, das als Schlafstatt der Jungen dient und sehr spartanisch nur mit Heu und ein paar Decken ausgelegt ist.

Und jeder von uns reitet ein paar Meter auf einer gutmütigen Stute. Heppo ist aber der Einzige, der gleich den Dreh raus hat und das Pferd dazu bringt, seinen Kommandos zu folgen. Eine Naturbegabung, quasi. Aber schließlich ist mein Liebster auch ein Pferd im chinesischen Sternzeichen. Logisch, dass er da einen besonderen Draht dazu hat…

Und so geht’s weiter: Rund um Karakol

Das war zuvor: Köl Say Seen, Kasachstan