2014-11 VAE-01 Die Emirate

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Dienstag, 09.12.2014
Die zehnstündige Fährfahrt in die Emirate ist sehr angenehm. Wir Wohnmobilisten dürfen sogar im eigenen Auto schlafen. Auch unseren Hund können wir auf dem Zwischendeck spazieren führen. So ist die Überfahrt auch für unseren vierbeinigen Freund relativ gut aushaltbar.

Morgens um 10 Uhr kommen wir in Sharjat (in der Nähe von Dubai) an. Freundliche Emiratis in frisch gestärkten, blütenweißen Dishdashas empfangen uns. Alles wirkt sehr organisiert.

Den ersten positiven Eindruck macht aber ein blauuniformierter, groß gewachsener, älterer Herr zunichte, auf dessen riesigem Eierkopf ein kleines Schirmmützlein balanciert. Er bekundet seine Sympathien für Österreicher und Deutsche mit einer Lobeshymne auf Adolf Hitler. Tatsächlich hätte er sich auch als Aufseher in einem KZ prima gemacht. Mit herrischen Gesten weist er jedem Passagier einem Platz im Wartesaal zu – Männer und Frauen natürlich streng getrennt. In dem auf Kühlschranktemperaturen klimatisierten Wartesaal herrscht eine Eisesstimmung. Man lässt uns warten. Eine Stunde… Zwei Stunden…

Dennoch – ich sitze einer lustigen, jungen Frau aus Bander Abbas gegenüber, deren buntbestickte und glitzernde Kleidung unter dem dunklen Tschador hervorlugt. Mariam heißt die Gute, die sich nicht von miesepetrigen und postpotenten Männern den Tag verleiden lassen möchte. Nur mit Zeichensprache haben wir eine Mordsgaudi (hochdeutsch: einen Heidenspaß) miteinander. Wir albern lautstark und kichern unbändig. Kurz darauf wird meine Freundin zu einem Schergen des KZ-Meisters zitiert; sie erhält eine Standpauke. Ich versuche mit meinem spärlichen Farsi Partei für sie zu ergreifen: „Man Muschkill, Mariam nisht.“ Also ungefähr so: „Ich Problem, Mariam nicht.“ Aber als Europäerin bin ich wohl tabu (oder man erwartet eh keinen Anstand von mir) und werde daher schlicht ignoriert. Die Tapfere lässt sich aber nicht so leicht einschüchtern. Sie macht eine lockere Handbewegung über die Schulter und eine weitere, die wohl heißen soll: „Zum einen Ohr rein, zum anderen Ohr raus!“

Endlich dürfen wir zum Visumsappell antreten. Nach der Zahlung von ein paar Dirham gibt es einen Stempel in den Pass und einen Monat Aufenthaltsrecht im arabischen Disneyland. Für die Fußpassagiere ist damit wohl alles erledigt. Für die Auto- und Motorradfahrer fängt das Elend hier erst an. (Wenn wir vorher gewusst hätten, was für ein Affenzirkus diese Überfahrt ist, dann wären wir den weiten Weg wahrscheinlich nicht angetreten.)

Nun sind wir aber schon mittendrin, und es gibt kein Entkommen mehr. Im Büro eins bekommen wir von einem höflichen Inder einen To-Do-Zettel mit fünf Stationen ausgehändigt, den wir bitte in den kommenden Stunden abarbeiten mögen. Wenn wir alles erledigt hätten, dürften wir wieder bei ihm vorsprechen und schlussendlich mitsamt unserem Fahrzeug in die Emirate einreisen. Kurz und ärgerlich: Fünf Stunden später ist es, und ein paar hundert Euro ärmer sind wir, als alles erledigt ist.

Außerdem haben wir einen ersten Einblick in das Gesellschaftssystem der V.A.E erhalten. Sämtliche Arbeit wird von Indern und Pakistani erledigt, die nur einmal pro Jahr nach Hause reisen dürfen.

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Mittwoch, 10.12.2014
Der erste Morgen in den Emiraten beginnt mit Schmerzen. Gestern sind wir Eva und Hary noch kurzerhand zum Liquorstore gefolgt, haben eingekauft und die neugewonnene Freiheit gebührlich gemeinsam gefeiert. Nach über fünf Wochen im alkoholfreien Iran meldet sich nun protestierend mein Kopf zu Wort.

Doch dem nicht genug, Der nächste Schlag unter die Gürtelline folgt sogleich. Ein pakistanischer Lastwagenfahrer hält neben uns und nimmt zuerst meinen Freund und dann mich ins Visier. „Mister, very thin, don’t eat, eh?! Look Madame, too big!“ Mit der Madame meint er mich! Gut, ich bin schon lange keine Bohnenstange mehr, aber „too big“!!!???!!! Meine Laune ist dahin, mein Hello-Lieber-Mitmensch-Lächeln gefriert zu einer zähnefletschenden Maske. Bevor ich hier gleich jemanden „killen“ muss, gehe ich erst mal ein paar Meter zurück zum Strand. Durchatmen und Abkühlen. Ich ertappe mich bei gar nicht netten, ziemlich menschenverachtenden Gedanken. Bereit zum Angriff stapfe ich zurück zum Lastwagen, wo der Naive sich noch immer arglos um Kopf und Kragen plaudert. Doch Heppo interpretiert das Todesglühen in meinen Augen richtig und tut das einzig Vernünftige. Er komplimentiert den selbsternannten Diätberater hastig zur Tür hinaus und rettet ihm dadurch sein kümmerliches Leben.

Donnerstag, 11.12.2014
Weitere Einsichten in das System V.A.E.: Inder räumen den Müll weg, Straßenverkäufer aus Bangladesh reichen Obst durch die – eine handbreit geöffneten und abgedunkelten – Scheiben der Nobelkarossen, Pakistanis verpacken die Waren im Supermarkt und schieben den Herrschaften die Einkaufswägen hinterher. Ohne dieses Heer billiger Arbeitskräfte würde hier wohl wenig funktionieren.

Wir schauen und staunen (missbilligend und fasziniert zugleich). Seit Monaten betreten wir mal wieder einen Hypermarché, vollklimatisiert und mit allem, was der Mensch zu benötigen glaubt. Es gibt sogar richtigen Käse (schon seit Monaten unsere Lieblings-Essens-Phantasie)! Aber die Freude ist mir seit der pakistanischen Verbalattacke von gestern noch immer verleidet, und so kann ich bei Camenbert und Blauschimmelkäse nur an Kalorien statt an Gaumenfreude denken. So ein Käse!

Mein Freund ist lieb und hat sich etwas Tolles vorgenommen, um mich wieder auf schönere Gedanken zu bringen. Er wird mir heute rund um Snoopy Island das Schnorcheln beibringen. Eine wunderbare Idee, denn tatsächlich bin ich noch nie in meinem Leben geschnorchelt. Ich bin nämlich kein besonders guter Schwimmer und habe etwas Angst davor zu tauchen. Erstaunlich schnell habe ich den Dreh heraus. Ist ja gar nicht so schwierig und… Was ist das? Wow, wow, wow! Bunte Fischschwärme! Papageienfische in blau und grün! Eine große Schildkröte taucht direkt unter mir hindurch. Was sind das für seltsame, schwarze Gurken am Boden? Und keinen Meter von uns beiden entfernt entdecke ich einen Riffhai (in etwa so groß wie ich) und da, noch  einen zweiten… Ohne es überhaupt richtig zu bemerken, habe ich – voller Staunen – fast einen Kilometer schwimmend zurück gelegt, habe Salzwasser geschluckt, bin getaucht und habe – ganz nebenbei- ein paar Ängste überwunden.

Heute bin ich sehr sehr glücklich!

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