In Frankreich bei den Punks

Musikempfehlung für diesen Artikel: Le pélican frisé – Asozial

Zum ersten Mal auf dieser Reise wird die Tischtennisplatte ausgepackt.

Unsere erste Etappe führt uns nur bis Bruchsal. Dort bringen wir einem Forumsmitglied aus der Allrad-LKW-Gemeinschaft unseren alten Dachständer vorbei. Andreas verrät uns einen schönen und ruhigen Stellplatz an einem Badesee in der Nähe. Als wir am nächsten Morgen aufwachen, finden wir eine riesige Tüte frischer und sehr leckerer Brötchen an unserer Tür. Was für eine tolle Überraschung! Danke an den edlen Spender! So kann die Reise gerne weitergehen.

Erstaunlich, wie schnell das Zuhause in die Ferne rückt, unwirklich wird und verblasst. Wir reisen langsam, verbringen den nächsten Tag mit dem Großeinkauf von Hundefutter. Bei der Aktion verliert Heppo wohl sein Handy, das er auf dem Ersatzreifen liegen gelassen hat, auf der Autobahn. Wie ärgerlich! Eine Freundin schreibt mir. „Handy verlieren ist heutzutage ja wie Bein ab!“ Das stimmt. Der Verlust fühlt sich wirklich fast so dramatisch an.

Die nächste Nacht stehen wir bei Freiburg am Opfinger See. Von Freund Robi bekommen wir eine Nachricht. Ob wir denn schon in Frankreich seien? Den folgenden Kalauer kann ich mir einfach nicht verkneifen: “Hier liegt zwar alles voller ‘Pariser'”, schreibe ich, “aber wir sind immer noch in Deutschland.” Tatsächlich ist der Parkplatz des beliebten Badeweihers auch nachts stark frequentiert!

Doch schon am nächsten Tag sind wir im schönen Nachbarland. Wir kommen gerade richtig, als der Dom des wunderschönen Klosters Monastere du Bru in Bourge en Bresse mit eigens angefertigten Animationen illuminiert wird. Da tanzen mexikanische Skelette auf der Kirchenfassade,  Frida Kahlo und Diego Riviera sehen sich tief in die Augen. Planeten schweben über das Mauerwerk, ein Monster mit Dreizack trampelt durch das Bild, Filmschönheiten küssen sich, das Portal geht in Flammen auf, und zum Finale fliegt alles mit großem Getöse in die Luft! Wunderbar! Ganz großes Kino! Genau dafür liebe ich die Franzosen einfach: Die fürchten sich vor nix und schon gar nicht vor der katholischen Kirche.

Zwischen Nîmes und Montpellier haben wir eine Anlaufstelle. Cony, Renaud und Alice hatten wir vor etwa sieben Jahren in Marokko kennengelernt, als sie im großen Tross der Frektek-Leute durch das Land reisten. Wir hatten damals einige Zeit miteinander verbracht und uns gut verstanden, auch wenn wir partymäßig nicht mal ansatzweise mit ihnen mithalten konnten. Und das will was heißen! Zu Cony Punk hatten wir über die Jahre losen Kontakt gehalten. Er hatte uns einige Male in Deutschland besucht, als Zwischenstation seiner sommerlichen Reisen zu Punkfestivals in Tschechien.

Zeli sieht ganz aus wie ihr Papa

Endlich schaffen wir es einmal zu ihm. Das Grundstück, das er sich zusammen mit ein paar Freunden vor einigen Jahren gekauft hat, liegt mitten in der Pampa. Montpellier ist etwa eine Stunde entfernt und Nimes ebenso. Mas D‘Aubac heißt der Ort, der nicht mal ein Dorf ist, sondern mehr aus lose verteilten landwirtschaftlichen Grundstücken besteht. Ein kleines Empfangskomitee steht inmitten von alten Autos, LKWs und Aufliegern, die zu kleinen Wohnungen umgebaut wurden. Alice und Renaud haben sich kaum verändert. Salut et trois bises! Ihre kleine Tochter Zeli ist etwa 14 Monate alt. Sie sieht genau aus wie ihr Vater. Cony weist uns in einen freien Stellplatz ein, und seine Freundin Poulette, die wir ebenfalls bereits von einem Besuch bei uns kennen, begrüßt uns sehr herzlich.

Endlich habe ich Zeit mich umzusehen: Das Grundstück steht voller Schrott und alten Karren, dazwischen liegen alte Matrazen und zerfetzte Plastiktüten, der Bewuchs ist spärlich, dazwischen laufen ein paar dünne Hühner frei herum. Ob sie denn keine Probleme mit der Stadt bekämen, frage ich vorsichtig. „Pas du tout“, antwortet Cony. Der Bürgermeister sei anfangs etwas skeptisch gewesen. Aber als er gesehen habe, dass die Freunde hier keine „salopperie“ hinterlassen würden, sei er zufrieden gewesen. Ich muss schmunzeln, denn der Platz ist alles andere als aufgeräumt.

Trotzdem ist es schön bei den Franzosen. Wir spielen Tischtennis, trinken guten Rum und kochen Tajine. Angeregt unterhalten wir uns. Seit April habe es nicht mehr geregnet, die Flüsse seien komplett ausgetrocknet, erzählt Poulette. Fast wie zum Beweis beginnt kurz darauf der Holztisch zu brennen, als Cony auf diesem seine halb gerauchte Zigarette ablegt. Eilig wird der Brand mit teurem belgischen Bier gelöscht.

Freunde kommen vorbei, einer heißt Mamie, also „Oma“. Als wir erzählen, dass wir bald weiter nach Esperaza wollen, lachen alle. Esperaza sei ein Ort wie auf einem anderen Planeten, einfach nicht von dieser Welt. Die gesamte Ecke in den Pyrenäen sei bekannt für die französischen, englischen und deutschen Aussteiger, die alten Hippies und jungen Partypeople. Dann erzählt er noch eine Anekdote von Bugarach, einem Dorf unweit von Esperaza, das vor einigen Jahren auch in den Medien für großes Aufsehen sorgte, weil angeblich mehrfach Ufos und Außerirdische gesichtet worden waren. 2012, zum offiziellen Ende des Maja-Kalenders, trafen sich dort viele Leute mit Antennen oder Aluhüten auf dem Kopf, um auf dem Berg den Weltuntergang zu überleben. Sogar Raum-Zeit-Portale soll es dort geben. Mamie hatte einst den Bürgermeister des Ortes kennengelernt, der ihm folgendes erzählte: Offiziell wohnen in Bugarach kaum 300 Einwohner. Inoffiziell seien es aber mindestens doppelt so viele. Die Menschen wohnen einfach überall – auf Baumhäusern und sogar unter der Erde, wie die Hobbits. Spannend!  Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächste Etappe!

Girlpower!