Abschied von Zuhause

Musikempfehlung zu diesem Artikel: Utery tretiho zari

Gute Wünsche der Familie!

Der Abschied von Zuhause ist aufregend: Freunde und Familie lassen es sich nicht nehmen, in den Tagen vor unserer Abreise noch einmal vorbeizukommen, um uns eine gute Fahrt zu wünschen. Sehr lieb ist das, und wir wären sicherlich enttäuscht, wenn niemand an uns denken würde, aber emotional nimmt uns das ganze Lebewohlsagen dieses Mal ziemlich mit. Die Eltern weinen, wir ebenfalls, und sogar bei den Freunden fließen Tränen. Ich bin nervlich ziemlich angeschlagen. Trotzdem müssen wir maximal konzentriert sein, denn da sind noch so viele Dinge, die erledigt werden müssen. Wir schreiben Pack- und To-Do-Listen, streichen durch und fügen Neues hinzu. Immer wieder fällt uns noch etwas ein, das wir mitnehmen oder besorgen müssen. Unsere Mitbewohner beschweren sich über mangelnde Aufmerksamkeit und unseren Egoismus. Oh je, Stress pur! Kein Wunder, dass wir es daher auch nicht schaffen, unseren geplanten Abfahrtstermin am 1. September einzuhalten. Wir legen Nachtschichten ein und packen unseren Lastwagen bis obenhin mit (scheinbar) wichtigen Dingen voll. „Schluss jetzt!“, sage ich. „Was es bisher nicht in den LKW geschafft hat, muss nun einfach zu Hause bleiben.“

Kurz vor unserer Abreise. Foto: Matthias Feicht -> Danke

Zwei Tage später kommen wir endlich weiter. Am Dienstag, den 3. September (unserem dritten Hochzeitstag), starten wir den Motor und fahren los. Frau Scherer rumpelt vom Hof, eine große schwarze Rauchwolke hinter sich lassend. Haus und Hof, das kleine Wäldchen und die Felder werden im Seitenspiegel immer kleiner.

Tschüss, liebe Mitbewohner! Tschüss, Kater Fizz! Tschüss, Hahn Giovanni und gute, brave Hühnerschar: Amy Straciatella, Mary, Ida und Padu. Tschüss, Hof! Passt alle gut auf Euch auf. Ich weine und lache gleichzeitig, als wir auf die Landstraße einbiegen. Jetzt beginnt das Abenteuer!

Kaum auf der Autobahn erhalten wir eine Nachricht von unserem Bekannten Pavel.

Er schickt uns einen Link zu einem Lied von Karel Gott. Utery tretiho zari!, singt der damals noch blutjunge Sänger erst schmalzig, um dann plötzlich loszurocken. Unser tschechischer Freund liefert die Übersetzung gleich mit. Das Lied heißt tatsächlich: „Dienstag, der dritte September“. Und der Song ist auch noch von 1964, dem Baujahr von Frau Scherer. Wenn das mal nicht schon wieder ein unglaublicher Zufall ist? Nun kann wirklich nichts schiefgehen, da wir nun sozusagen sogar mit Gott(e)s Segen unterwegs sind. Die Sterne stehen offenbar günstig. Auch wenn ich tatsächlich längere Zeit darüber nachgrüble, warum eine Reise nach Westafrika ausgerechnet mit dem tschechischen Schnulzensänger Karel Gott beginnen muss? Fela Kuti hätte ich persönlich passender gefunden. Aber Gott(e)s Wege sind bekanntlich unergründlich.