Marokko – An der Grenze

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Etwa gegen 23 Uhr kommt unsere Fähre in Tanger med an. Zum Glück kennen wir das Prozedere schon und sind daher nicht überrascht, dass trotz der Polizeikontrolle und Zollabfertigung auf dem Schiff noch eine weitere Hürde vor der Einreise eingebaut ist. Schließlich handelt es sich hier um eine der bestgesichertsten Grenzanlagen der Welt, auch wenn diese für manche durchlässiger ist als für andere, je nach Reiserichtung, finanziellen Möglichkeiten und Staatsangehörigkeit.

Heiße Ware: Wir schmuggeln Fußbälle für afrikanische Kinder.

Wer diese Grenze aber zum ersten Mal in Richtung Marokko passiert, fällt allerdings wahrscheinlich aus allen Wolken. Denn eigentlich sieht es zunächst so aus, als ob man einfach so aus dem Hafengelände fahren könnte. Ein paar Polizisten winken uns fröhlich hinterher. Freie Fahrt über gut zwei Kilometer. „Juhu, wir sind in Marokko!“, könnten wir jubeln. Doch dann: „Was ist das? Ein riesiger Stau?“ Alle Fahrzeuge müssen durch den Scanner, also durch das Röntgengerät. „Oh, das ist dann wohl immer noch die Grenze.“. Die Enttäuschung ist groß. Manchmal zahlt sich Reiseerfahrung aus: Wir lehnen uns entspannt zurück, während andere Tobsuchtsanfälle und Nervenzusammenbrüche bekommen. Was für ein Spektakel aus Hupkonzerten, Streitereien, Fastkarambolagen, drängelnden Autofahrern, Bestechungsversuchen und überforderten Grenzbeamten.

Nach einer Weile dämmert es sogar den Polizisten, dass sie niemals alle wartenden Fahrzeuge durch den Scanner schicken können. Immerhin ist es nun schon 1 Uhr nachts, und die Schlange noch längst nicht mal zu einem Drittel abgearbeitet. Also beginnen die Beamten, einzelne Fahrzeuge, die etwas weniger bepackt sind, herauszuwinken. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, denn Lücken zwischen den Autos gibt es nicht. Alle Fahrer sind erpicht darauf, so schnell wie möglich weiter zu kommen und nutzen jeden Zentimeter an Raumgewinn aus. Einige von ihnen haben auch noch eine enorme Strecke vor sich. Hinter uns fährt zum Beispiel ein junger, schlaksiger Senegalese. Innerhalb von zwei Tagen möchte er Marokko und Mauretanien durchqueren, um in seine Heimat zu gelangen.

Die Polizisten sortieren nun noch etwas großzügiger aus. Zurück bleiben nur die besonders vollgepackten Autos und die wenigen Reisemobile. Als eines der letzten Fahrzeuge werden wir geröntgt. Gegen 2 Uhr nachts sind wir dann erst wirklich in Marokko.

Zum Glück gibt es einen großen und sogar relativ angenehmen, kostenfreien Parkplatz direkt am Hafen, sogar mit sauberer Toilettenanlage und Cafés. Neben uns parkt Martin aus der Schweiz, der mit Tochter Samira und Adoptivtochter Nora unterwegs in den Senegal ist. Sie bauen ein monströses Zelt auf, das sie auf einem Anhänger mit sich führen. „Alpenkreuzer“ nennen sie das Ungetüm. Als Heppo die drei noch zu späten Nudeln mit Soße einlädt, stellt sich heraus, dass Martin der Betreiber der legendären Zebrabar in St. Louis im Senegal ist – eine Station, an der eigentlich kein Westafrikareisender vorbeikommt. Was für ein schöner Zufall! Dann kennen wir die Familie schon einmal.

Die erste Nacht auf dem neuen Kontinent verläuft ruhig und entspannt, auch wenn direkt neben uns aus einem Lautsprecher als Dauerbeschallung arabische und spanische Schlager laufen. Die Musik lullt mich aber angenehm ein und beschert mir einen Traum, durch den Kamelkarawanen reiten und in dem Bauchtänzerinnen sich verführerisch in den Hüften wiegen. Mein Unterbewusstsein hat offensichtlich keine Angst vor Klischees.

Schön, wieder einmal in Marokko zu sein!