An der Grenze zu Mauretanien

just another herbrich tour

An der Grenze zu Mauretanien kommt hinter Frau Scherer ein blau-weißer, verbeulter VW-Bus mit deutschem Kennzeichen zum Stehen. Es sind Christina und Samuel aus der Nähe von Stuttgart. Lustigerweise hatte ich mit den beiden bereits vor unserer Abreise Kontakt, weil wir eine gemeinsame Bekannte haben. Lisa erzählte uns von den beiden, die ganz Afrika in Rekordgeschwindigkeit umrunden wollen. „Das Meer immer rechts!“, so lautet deren Motto. Wir finden das Unternehmen  justanotherherbrichtour ein bisschen irre und zugleich faszinierend, denn Afrika ist schließlich kein einfacher Reisekontinent. Etwa 40.000 Kilometer sind es wenn, man in „Idealline“ durch die etwa gut 40 Länder fahren würde. In den 120 Tagen müssen die beiden jeden Tag 333 Kilometer zurücklegen (wir schaffen selten mehr als 250 Kilometer). Für jedes Land bleiben bei dieser Reisegeschwindigkeit nur drei Tage Zeit. Pausiert man nur einmal, weil das Auto repariert werden muss oder weil ein Visum beantragt wird, so muss am nächsten Tag bereits die doppelte Strecke zurückgelegt werden. Warum nur  tun die sich freiwillig so eine Tortur an? Was bleibt da, um sich in ein Land einzufühlen, um anzukommen oder um Menschen kennenzulernen? Wie schaffen es die beiden, in all dem Stress das eigene Fremdeln zu überwinden und die Kulturschocks zu verdauen? Wahrscheinlich aber geht es eher darum. Rekorde zu brechen, als an wirklich tiefe Einsichten zu gelangen. Trotzdem, wir sind fasziniert und werden den Trip der zwei  mit großem Interesse verfolgen. Natürlich wünschen wir ihnen eine glückliche und gelungene Reise!

Allgegenwärtig sind die sandgestrahlten Autowracks in Mauretanien.

Leider schaffen wir es nicht, Näheres über Christinas und Samuels Motive zu erfahren, denn dieses Mal hält uns der Grenzüberritt so richtig auf Trab. Vier Stunden dauert allein die Ausreise aus Marokko. Weitere gute  drei Stunden brauchen wir für die Einreise nach Mauretanien inklusive Fahrt durch das mehrere Kilometer lange Niemandsland. Dort streiken die Polisario und haben eine komplette Spur der Piste blockiert. Zu hunderten liegen verbeulte und vom Wüstenwind sandgestrahlte Autowracks am Straßenrand. Die Schlepper lotsen ihre Kundschaft durch das unübersichtliche und potentiell gefährliche Gelände. Die Strecke ist vermint, die ausgefahrenen Spuren sind allerdings deutlich zu erkennen.

Wir folgen der Masse und stauen nicht schlecht über die hier herrschende Endzeitstimmung. Die Piste wird immer schlechter und steiniger. Die heillos überladenen Autos quälen sich mit ihren platten Reifen über große Steine. Gefährlich schwanken sie hin und her. Ein Wunder, dass sie nicht umkippen. Der Mercedes vor uns verliert  plötzlich große Mengen an Flüssigkeit, Diesel oder Wasser? Sein Fahrer ist komplett verzweifelt. Das Niemandsland forderte ein weiteres Opfer für seine makabre Autosammlung. 

 Heppo hat sich schon mehrfach erfolgreich als Pannenhelfer betätigt hat, aber hier ist uns beiden klar, ohne dass wir darüber nur ein Wort verlieren müssen: Wir fahren grußlos an dem Gestrandeten vorbei. An diesem Unort ist es einfach nicht ratsam stehen zu bleiben. Hier ist sich jeder selbst der Nächste!

Niemandsland zwischen Marokko und Mauretanien

Grenzhelfer bedrängen uns, dass wir ihre Dienste in Anspruch nehmen sollen. Für ein paar Ouguiya (mauretanische Währung) würden wir uns viel Zeit und noch mehr Ärger sparen können. „You see“, sagt ein kleiner unsympathischer Typ auf Englisch zu mir. „Europe is ‚I love you, I love you‘. Africa is business! That‘s the way it goes!“

„Wenn es nur so wäre!“, denke ich mir im Stillen  und lehne dankend seine Dienste ab. Er wünscht mir daraufhin zynisch: „Good luck!“ Ich lasse mich nicht einschüchtern; das Visum haben wir ja bereits in Rabat, Marokko, ausstellen lassen, und den Rest bekommen wir auch noch hin. Wir sparen uns allein schon aus Prinzip das Bestechungsgeld. Lieber laufen wir alle Stationen persönlich ab und diskutieren mit den Zuständigen. Auch das zählt zu den Erfahrungen auf Reisen. In diesem Fall erhalten wir die Einsicht, dass die mauretanischen Grenzbeamten fürchterlich damit beschäftigt sind, die großen und kleinen Scheine aus all den großen Passstapeln herauszunehmen, die sie von den Helfern vorgehalten bekommen. Ich schiebe unsere Dokumente in den Stapel, und wir bekommen diese kurzerhand abgestempelt wieder zurück. Für das “Passavant” (Durchfahrterlaubnis für das Fahrzeug) werden aber ganz offiziell 10 € fällig. Kein Mensch denkt hier  übrigens daran,  unser Auto zu kontrollieren. Wir ärgern uns ein bisschen, dass Heppo zuletzt auf der marokkanischen Seite noch panikartig unsere drei Liter Wein verkauft hatte. Alkohol ist nämlich in Mauretanien strikt verboten. Aber dafür interessiert sich hier gerade wirklich niemand. Nach weiteren drei Stunden sind wir abgefertigt, mit einem deutlichen Vorsprung vor all denen, die sich einen sogenannten “Grenzhelfer” geleistet haben.

Wir sind gespannt auf Mauretanien!