Bamako

Eines meiner Lieblingslieder: Dimanche a Bamako, vom blinden Ehepaar Amadou et Mariam (Der Text spricht davon, dass der Sonntag der Tag für Hochzeiten in Bamako ist)

Mopeds und Mofas dominieren in Bamako

Bamako ist eine merkwürdige Stadt, denn die Gebäude sieht man nicht. Sie verschwinden hinter einer dichten Wand aus Palmen, Bäumen und Büschen. Doch auch diese treten in den Hintergrund. Ein stetiger Verkehrsstrom lenkt die Blicke weg vom Grün. Da sind Taxis, Kleinbusse und Mofas – Mofas vor allem. Alle fahren sie: Erwachsene und sogar Kinder, Männer und Frauen. Die einen tragen Anzug, Shorts oder Kaftan, die anderen wunderbare, bunte, wehende Kleider. Manche haben einen Turban auf, andere verstecken ihr Gesicht hinter einem Schleier. Nur wenige sind mit einem Helm ausgerüstet.
Ihr wollt wissen, wie Bamako riecht? Die Antwort heißt ganz klar: nach Mofamischung.

Typische Mofatankstelle

Natürlich gibt es auch Autos, unzählige Taxis und in regelmäßigen Abständen grüne Kleinbusse, die sogenannten Sotrama, die die öffentlichen Verkehrsmittel sind. Junge Männer hängen aus den offenen Schiebetüren. Sie sind es, die Zu- und Ausstiege regeln und das Fahrgeld kassieren. Doch auch der Verkehr wird geschluckt – vom Smog. Die Augen brennen. Die Lungen pfeifen. Abends haben wir Husten.

Macht nicht viel her? Das ist die Straße im Nobelviertel, wo wir vor dem Sleeping Camel stehen. Die Villen, der Stacheldraht, die Schwerbewaffneten: Alles verschwindet hier hinter Grünzeug, ausnahmsweise mal ohne Fahrzeuge davor.

Frau Scherer vor dem Slepping Camel. Ganz passend steht sie unter dem Baum der Reisenden, Ravenala madagascariensis.

Nein, Bamako ist nicht schön. Es ist eher sogar ziemlich hässlich. Selbst in den besseren Vierteln türmt sich der Abfall auf der Straße. Da laufen Ratten, groß wie wohlgenährte Katzen, dazwischen herum, fließt die Kloake zwischen den Häusern hindurch. Wir wünschen uns manchmal, wir hätten keine Nasen.

Auch der Niger enttäuscht. Irgendwie hatte ich es mir erhebend vorgestellt, an dem Fluss zu stehen, den der Afrikaforscher Mungo Park  in T. C. Boyles Wassermusik mit so großer Hingabe  erforschen wollte, dass er darüber den Tod fand. Grau und träge fließt dieser große Strom dahin. Selbst von den Brücken aus finde ich kein Motiv, das lohnenswert genug wäre, ihn zu fotografieren.

“Möbelgeschäft” vor stacheldrahtgeschützter Villa

Die Villen der Reichen tragen Stacheldrahtkronen auf den Mauern. Sie sollen zusammen mit scharfen Hunden, Überwachungskameras und Wächtern ungebetene Eindringlinge fernhalten. Wer genau hinsieht, kann gelegentlich Soldaten mit Kalaschnikows und sogar Scharfschützen entdecken, die strategisch wichtige Ziele, wie zum Beispiel die Deutsche Botschaft, vor Angreifern schützen sollen. Das ist hässlich und schockierend, aber ebenso auch sehr faszinierend.

Charmanter Kerl, der zahnlose Housman

Was Bamako aber schön macht, sind die Menschen. Unglaublich für eine Stadt mit etwa 2.5 Millionen Einwohnern: Es wird miteinander gesprochen. Wahrscheinlich fallen wir aber auch besonders auf, weil wir „Toubabou“ sind, also Weiße. Noch keinen Tag sind wir hier und kennen schon das halbe Viertel. Da ist zum Beispiel Housman, der nette, alte, zahnlose Mann, der stets vor einem Haus auf einem kleinen Schemel sitzt. Er liebt es, mit uns zu plaudern und bittet uns darum, auch unsere nächsten Hunderunden so zu legen, dass wir immer bei ihm vorbeikommen. Diesen kleinen Gefallen werden wir ihm gerne tun. Auch sein Namensvetter, ein Taxifahrer, ist ein aufgeschlossener Kerl, der bereitwillig seine Familiengeschichte erzählt. Der junge Mann vom Kopierladen gibt mir einen Namen. „Amanita heißt du, das bedeutet Freundin!“ Auch für Heppo hat er einen: „Aliou“, so hieß auch der Prophet und Schwiegersohn Mohammeds. Die Türsteher vom Camel schäkern mit uns und versuchen, uns mit unendlicher Geduld mit den komplizierten Begrüßungsformeln der Bambara vertraut zu machen. Eine Gruppe Kinder kommt vorbei und erhält im Austausch gegen ein paar Stücke einer Kokosnuss einen unserer mitgebrachten Bälle. Schließlich zählt der Wille, und ihr herzliches Auftreten ist einfach unwiderstehlich.

Attraktiv und kontaktfreudig, die Melonenverkäuferinnen

Heppo gefallen am besten die „Mädchen mit Gebäckkopfschmuck“. Täglich ziehen sie in einer nicht enden wollenden Prozession an unserem Lastwagen vorbei. Allerlei Teigwaren bieten sie auf ihren Köpfen zum Verkauf an. „Wie bei den Elfen ist das!“, seufzt mein Mann und blickt den zugegeben sehr hübschen, langbeinigen Wesen etwas verträumt hinterher.

Von jetzt an wird alles auf dem Kopf getragen

Unglaublich, was da alles an unserem Fenster vorbeischwebt: Hosen, Geschirrtücher, Bücher und reich gefüllte Obstkörbe. Vor allem die Zitronenmädchen wissen um ihre Faszination, die sie auf meinen Liebsten ausüben. Mehrmals täglich stehen sie vor Frau Scherer und versuchen sich an einem Wimpernklimpern auf Mandelaugen, Schnütchen und Schmollmund. Wenn sie mich sehen, wenden sie sich enttäuscht ab oder fragen sogleich nach Monsieur. Der kauft mittlerweile bereits den fünften Zehnerpack. Er erklärt das mit Vitaminmangel. Leicht angesäuert verarbeite ich die kleinen, harten, grünen Früchte zu Limonade. In sein Glas gebe ich zur Rache deutlich weniger Zucker…

In Mali sind sie wirklich sehr charmant: nette Buben