Bamako, Stadt der Musik

Musiktipp: Keltoum Walet: Watcha und Nabintou Diakite

Kalebassen-Spieler Alassane Samaké wurde uns zum Freund

Die Stadtviertel in Bamako heißen wie Tanzschritte: „Komm, tanz mit mir den Badala-Bougou, den Missabougou, den Bozola, den Faladie!“

Diese Assoziation zum Tanz liegt nahe in einer Stadt, in der die Musik so präsent ist  wie selten irgendwo. Zu fast jeder Tageszeit fliegen von den Dächern und aus den Innenhöfen heiße Trommelrhythmen, psychedelische Gitarrenriffs und die wehmütigen Melodielinien des Mali-Blues durch die Luft. Wer will, kann in dieser Stadt am Niger jeden Tag ein Livekonzert erleben.

Bamakos Musikszene ist leicht zugänglich und offen für Neues. Bereits am zweiten Tag haben wir Kontakt zu lokalen Musikern. Heppo ist nicht schüchtern, und so spaziert er einfach in eine Villa, aus der die hypnotischen Klänge einer Sahel-Blues-Band dringen. Schnell werden wir eingeladen, bei der Bandprobe zuzuhören.

Keltoum, Gründerin und Sängerin der gleichnamigen Sahel-Blues-Band

Keltoum, eine der Gründerinnen der bekannten Nomadenband Tinariwen, trifft sich auf der Terrasse ihres Hauses zwei Mal pro Woche mit den jungen Musikern ihrer neuen Band, die so heißt wie sie: Keltoum. Die Dame ist aufgeschlossen und scheint sich über unser Interesse zu freuen. Bereitwillig erklärt sie: „ Es geht in meiner Musik meistens darum, in der Wüste zu überleben. Dort ist es wichtig, seine Umgebung gut beobachten zu können, eine Eigenschaft, die die Menschen heutzutage kaum mehr haben.“ Auch spricht sie, die Musikerin und Dichterin, von ihrem Einsatz für Menschenrechte, für Humanität und über ihr Engagement für Frauen. Sie erzählt von den Schwierigkeiten, denen die Menschen im Norden des Landes ausgesetzt sind, seit dort die Islamisten das Sagen haben. „Das Mali von heute ist wie ein großer Obstsalat.“, sagt sie, nicht ohne Humor. „Da gibt es die Früchte, die man gerne isst und die, die man lieber aussortiert!“

Viele malische Musiker sind aus dem Norden in die kreative und liberale Hauptstadt geflüchtet. Auch Alassan Samké, Keltoums sympathischer Kalebassenspieler, stammt eigentlich aus Gao, im Norden. Um seine musikalische Karriere in Schwung zu bringen, ging er u.a. vor mehr als 13 Jahren in die Hauptstadt. Dort spielte und tourte er mit Größen der malischen Musikszene wie Baba Salah, Sidi Touré und Boubacar Traoré. Seit die Situation aber 2008 eskalierte, ist ihm der Weg zurück in seine Heimatstadt mehr oder weniger verwehrt. Etwas traurig erzählt er davon, wie seine Brüder beim Militär Karriere machen und großes Geld verdienen. Er hingegen bekommt als Musiker, als sogenannter „Griot“, so gut wie gar keine Anerkennung durch seine Familie. Doch der Krieg sei nichts für ihn, meint er, er sei ein friedliebender Mensch, und Musik bedeute ihm alles.

Experte auf der Djourou Kelen: Adama Sidibé

Seinen Freund Adama Sidibé, mit dem er in einem kleinen Nebenprojekt namens „Sahel Roots“ zusammen spielt, hat es noch schlimmer getroffen: Als Mitglied des Stammes der Peuhl – auch Fulbe genannt – gilt er als Musiker rein gar nichts bei seinen Angehörigen. Auch eine Frau kann er nicht finden, denn bei den Peuhl erlangt man alles Ansehen ausschließlich durch den Besitz möglichst vieler Kühe und Rinder. Adama hat daher zwangsläufig sein Leben der Musik verschrieben. Seine Instrumente, Erbstücke seines Großvaters, sind die „Djourou Kelen“, eine Geige mit nur einer Seite und eine kleine Gitarre, die “Suku“ genannt wird.

Nachts erkunden wir die Clubs der Stadt. Im Institut Francais sehen wir auf großer Bühne „Cheikné Sissoko 5 Tammans et son groupe Somane“, die ihr neues Album “Anka Ben“ vorstellen. Sissoko ist ein Großmeister der sogenannten „sprechenden Trommeln“ oder „Talking drums“, die unter den Arm geklemmt mit einem gebogenen Stock geschlagen werden. Wie der Name schon sagt, können diesem Instrument fast menschliche Töne entlockt werden. Richtige Zwiegespräche sind so möglich. Als Gaststar ist an diesem Abend auch  Raokia Traoré mit dabei. Was für ein wunderbares Konzert in hochprofessionellem Ambiente!

Heppo darf mit Keltoum auf der Dachterrasse proben.

Besonders ergiebig ist für uns der Africa Club, der mehr oder weniger gleich nebenan liegt. An festen Tagen spielen hier diverse Hausbands. Ein Conferencier kündigt die Band an, so reißerisch wie ein amerikanischer Prediger. „Nabintou Diakite“ heißt diese, wie ihre Sängerin. Ihre großbusige Tänzerin stiehlt ihr aber fast die Schau. Es ist eine wahre Freude, ihr zuzusehen. Alles an ihr wackelt und hüpft. Sie hat eine Menge Spaß dabei und grinst über beide Ohren. So muss tanzen sein, so lustig, so angstfrei und so unverstellt. Wir finden sie großartig. Nabintou hingegen wirkt etwas steif. Wie sie in großer, rotglänzender Robe und mit Stöckelschuhen über die Bühne stakst, wirkt sie auf uns fast ein bisschen wie ein aufgedonnerter Transvestit. Für westafrikanische Verhältnisse scheint ihr Aufzug mit Gold und Glitzer aber wahrscheinlich völlig normal zu sein. Ihre Musik jedoch ist faszinierend. Die ständig sich wiederholenden, vertrackten Rhythmen sind hypnotisch und ziehen die Zuhörer in ihren Bann. Ein bisschen enttäuscht bin ich dann aber doch. Irgendwie hatte ich mir einen afrikanischen Club so vorgestellt, dass auch die Zuschauer wie wild tanzen würden. Doch das Publikum sitzt sittsam auf den Ledersesseln und überlässt die Show allein der Band. Nur einmal wagen sich ein paar Mutige vor die Bühne und schwingen das Tanzbein. Schon nach einer Nummer befindet sich jedoch jeder wieder brav an seinem Platz.

„Zum Glück“, denke ich mir dann aber, „entspricht eben nicht alles seinen Klischees!“