Unverhoffte Musikgelegenheiten

Musiktipp: Ry Cooder & Ali Farka Touré

Les Blues Mandingue

Bamako ist ganz sicherlich ein wahres Paradies für jeden Musiker, denn die Szene ist aufgeschlossen und denkt pragmatisch. „Man weiß ja nie, was aus all den Begegnungen wird!“, meint Alassane. „Manchmal wird daraus eine Zusammenarbeit, ein Engagement oder gar eine kleine Tour durch Europa oder Amerika.“

Heppo hat sich für Afrika extra ein Reiseschlagzeug mitgenommen, bestehend aus einer Cajon, die mit einer umgelenkten Fußmaschine als Bassdrum fungiert, dazu ein Hi-Hat und eine kleine Snare. Natürlich ist er wild darauf, mit den malischen Musikern zu jammen. Er muss nicht lange warten. Schon bald wird er eingeladen, Keltoum bei einer ihrer Bandproben zu unterstützen. Alassane zeigt ihm einen vertrackten Rhythmus, der „Takamba“ heißt. Heppo schlägt sich wacker. Die Band ist begeistert von der Fusion aus afrikanischem Kalebassen-Rhythmus und europäischem Schlagzeugsound.

Weitere Musikkontakte tun sich auf… Die Vorgeschichte ist, dass uns Nabintou Diakite bei ihrem Konzert bereits ihre Nummer zugesteckt hatte, mit dem Hinweis, dass wir uns jederzeit bei ihr melden können. Wir wundern uns ein bisschen, packen den Zettel irgendwohin und  vergessen die Sache wieder. Am nächsten Abend zieht Heppo alleine los. Im Africa Club tritt ein Koraspieler auf. Ich bleibe bei Sidi, um den wir uns momentan schlimme Sorgen machen. Er wirkt  völlig apathisch und trinkt nicht mehr selbstständig. Seine Körpertemperatur beträgt fast 41 Grad (Normaltemperatur bei einem Hund: 37 Grad!). Wir vermuten: Dahinter steckt die Zeckenattacke aus Nouakschott in Mauretanien. Seit unserem Aufenthalt dort haben wir an die Hundert zum Teil winzigster Zecken an ihm entdeckt. In diesem jetzigen Zustand möchte ich unseren Hund daher nicht gerne alleine lassen. Ich verpasse ihm Wadenwickel, das hilft zumindest gegen das hohe Fieber. Wir müssen auf jeden Fall schnellstmöglich einen Tierarzt finden!

Aufgeregt und verwirrt kehrt Heppo spät in der Nacht  zurück: “Ich wurde behandelt wie ein VIP, durfte umsonst in den Club und wurde auch gleich nach hinten an den Tisch zu den wichtigen Leuten gebeten.“ Nabintous Manager habe ihn angesprochen: „Madame ist jederzeit bereit, mit dir ins Studio zu gehen.“ Auch Nabintou selbst versuchte, mit Heppo, dessen Französischkenntnisse immer noch relativ begrenzt sind, ein längeres Gespräch zu führen. „Wie eine Bewerbung ist mir das vorgekommen!“, meint Heppo gleichermaßen belustigt wie beunruhigt. „Die Sängerin war aufgeregt, wie ein kleines Schulmädchen, als sie sich mit mir unterhalten hat!“

Keine Ahnung, wie Nabintou auf die Idee gekommen ist, mit meinem Mann im Studio zu arbeiten. Ich kann mir das nur so erklären: Unser Interesse an der Musikszene Bamakos hat sich eben mittlerweile herumgesprochen. Es hat wahrscheinlich auch rasch die Runde gemacht, dass wir zur Zeit bei der Sängerin Keltoum ein- und ausgehen. Bamako scheint doch ein Dorf zu sein. Möglich, dass bereits diverse Gerüchte über uns kursieren: „Wer wohl diese beiden aus Deutschland sind? Vielleicht sind die beiden wichtig, sind Musikmanager oder gar Talentscouts?“ Alle hoffen,  auch über die Grenzen Malis hinaus bekannt zu werden. Der Weg zu Ruhm, Geld und internationalem Erfolg führt auch in Bamako über Europa, meistens über Paris. Da klammern sich die Künstler anscheinend an jeden noch so kleinen Strohhalm.

Heppo ist sichtlich unwohl dabei, welches Missverständnis da ohne unser Zutun entstanden ist. Flehentlich bittet er mich, dass ich morgen den Manager am Telefon aufklären und auch sämtliche, womöglich bereits reservierten Studiotermine, absagen werde.

Prompt meldet sich der Manager am nächsten Morgen bei mir. Er wiederholt tatsächlich sein Angebot, dass wir jederzeit mit Nabintou im Studio arbeiten könnten. Ich rede nicht lange um den heißen Brei herum, sage ihm, dass wir weder wichtig noch in irgendeiner Weise einflussreich sind, sondern einfach nur Touristen. Unser großes Interesse sei allein unserer Liebe für die Musik Malis geschuldet. Der Manager ist sichtlich enttäuscht, das Telefonat bald darauf beendet. Auch Heppo ist nun ein bisschen traurig, dass er die Gelegenheit verpasst hat, als ein neuer Ry Cooder in die Musikgeschichte Malis einzugehen.

Doch die nächste Gelegenheit lässt nicht lange auf sich warten. Am Nachmittag sitzen plötzlich Alassane und Adama in unserem LKW,. Die beiden laden Heppo dazu ein, am nächsten Abend bei ihrem Auftritt als „Sahel Roots“ mitzuspielen. Der Song, den sie mit ihm üben wollen, heißt „Takamba“, wie der gleichnamige Rhythmus. Adama spielt sehr ernst auf seiner einseitigen Geige, während der arme, fiebrige Sidi zu seinen Füßen liegt und schwer atmet. (Wir waren mit ihm heute beim Tierarzt,  und nun bekommt er eine Antibiotikakur.) Ich stelle mir vor, dass Adama ein Schamane ist und mit seiner Musik unseren Hund heilen kann.

Lac du Lassa, heißt die Auftrittslocation im Norden von Bamako, die von einer etwa 60-jährigen, lebenslustigen Französin namens Carol ins Leben gerufen wurde. Hier hat sie mit viel Geschmack und Geld einen wunderbaren Ort geschaffen: Wohnhaus, Begegnungsstätte, privates Kinderheim, ökologischer Garten und Kunstraum, all das  vereint das großzügige Gelände. Carol hat viele Visionen und offensichtlich ein großes Herz. Dass sie die zweite Frau eines malinesischen Mannes ist, scheint ihr dabei nicht viel auszumachen: „I fell in love with him and his beautiful ecosystem!“, sagt sie mit rauer Stimme und schickt ein kehliges Lachen hinterher. Dann nimmt sie einen tiefen Schluck direkt aus der Weinflasche und einen noch tieferen Zug von dem  Joint, der gerade die Runde macht.

Sahel Roots im Konzert am Lac du Lassa in Bamako

Leider  hat sie jedoch für das Konzert von „Sahel Roots“ und „Les Blues Mandingue et les enfants du Peguin“ nicht sonderlich viel Werbung gemacht, so dass nur etwa 20 Personen als Zuschauer gekommen sind. Die meisten, vor allem die Rastaboys, scheinen sowieso immer hier abzuhängen, denn die Stimmung ist sehr familiär.

Als während des Auftritts von „Les Blues Mandingue…“ eine kleine Giftschlange, angeblich eine Kobra, gesichtet wird, bricht kurz Panik unter den Umstehenden aus. Sogar eine Machete wird gezückt. Das Spiel jedoch wird keinesfalls unterbrochen. Daouda, der Koraspieler, zupft unverdrossen weiter an seinem Instrument, beharrlich trommelt der Percussionist, und unverwandt singen die Backgroundsängerinnen in ihre Mikrofone. Zu alltäglich ist das Erscheinen einer Schlange dann wohl doch. Nur die Blicke folgen achtsam den Bewegungen des Reptils, das schon bald wieder im Gebüsch verschwunden ist.

Endlich sind „Sahel Roots“ an der Reihe. Unsere zwei neuen Freunde haben sich in Schale geworfen: Alassane trägt Hut und pinkfarbenes Hemd zu weißer Hose, Adama hat einen schicken, schmal geschnittenen  Anzug in Grasgrün an. Auch nur zu zweit haben sie eine starke Bühnenpräsenz. Heppo ist reichlich nervös, als er bei „Takamba“ auf die Bühne gerufen wird. Ich finde, dass er sich trotz der fremden Rhythmik wacker behauptet. Wirklich zufrieden scheint er aber mit seiner Performance nicht zu sein. Etwas verdrießlich setzt er sich hinterher in eine Ecke und schmollt ein wenig. Erst als zum Abschluss noch einmal alle Musiker gemeinsam auf der Bühne zu einer kleinen Jamsession zusammenkommen, hellt sich seine Stimmung wieder etwas auf. Ich persönlich bin mächtig stolz auf meinen unerschrockenen Heppo, der sich so mutig in die Musikszene von Bamako stürzt. Wie toll ist das denn, bitte? Dazu noch dieser wunderbare Ort! Und die netten  Jungs Alassane und Adama. Wenn das mal kein Grund ist zu tanzen! Das kann ich nämlich besonders gut.