Die Sklavenburg

Filmtipp: Werner Herzogs umstrittenstes cineastisches Werk, Cobra Verde:
https://www.youtube.com/watch?v=Y_59rGasdds

St Georges Castle in Elmina

Das Fort São Jorge da Mina oder auch St. George’s Castle in Elmina ist uns in Deutschland bekannt als Drehort des Films von Werner Herzog: Cobra Verde. Klaus Kinski spielt darin den fiktiven Sklavenhändler Francisco Manoel da Silva. Millionen Afrikaner und deren Nachfahren, die heute in Amerika leben, verbinden diesen Ort aber mit dem sehr realen Trauma des Kolonialismus und seinen schrecklichen Folgen. Die Burg, die 1482 von den Portugiesen an der sogenannten Goldküste erbaut worden war, diente ursprünglich als Stützpunkt für den Handel vonGold, Elfenbein, Gewürzen und zunehmend aber auch für Sklaven. Dies blieb auch so, als die Burg Ende des 16. Jahrhunderts von den Niederländern erobert wurde und sogar noch, als die Festung 1872 an die Briten verkauft wurde.

Drehort des Filmklassikers Cobra Verde von Werner Herzog

Ghana feiert gerade (2019) das sogenannte Year of Return, eine groß angelegte Tourismuskampagne, die vor allem die afrikanische Diaspora in Nord- und Südamerika dazu anregen soll, das Land ihrer Herkunft zu besuchen. Im St George’s Castle stehen wir nun zusammen mit einem dunkelhäutigen Mann aus Amerika betroffen vor einer kleinen Tür, die vom Guide dramatisch “Door of no Return” genannt wird. Von hier wurden einst die Sklaven auf das Schiff verladen, um unter unmenschlichen Umständen auf einen anderen Kontinent verbracht zu werden. Wie Vieh wurden sie im Schiffsbauch liegend aneinander gekettet, die Männer auf dem Bauch liegend, die Frauen auf dem Rücken, damit sich die Seeleute ungeniert an ihnen bedienen konnten. Viele von ihnen überlebten die Reise nicht, und manche beginnen bereits vorher Selbstmord, indem sie vom Schiff sprangen, um im Meer zu ertrinken.

Im Innenhof der Sklavenburg

Die schrecklichen Geschichten bewegen uns, doch noch rührender finden wir die stumme Ernsthaftigkeit des jungen Amerikaners. Ich frage ihn, ob er alleine nach Ghana gereist sei. Einsilbig und etwas abwesend antwortet er: „Ja, allein!“ Ich wage es nicht, weiter auf ihn einzudringen und lasse ihn in Ruhe.

Das Frauenverlies

Übrigens bereits auf der Burg waren die Umstände schrecklich. Wieder traf es die Frauen am härtesten. Der Gouverneur hatte seine Wohnung direkt über ihrem Verlies; von einem Balkon aus konnte er die Gefangenen beobachten. Gefiel ihm eine besonders gut, ließ er sie über eine Leiter und eine Falltüre nach oben bringen. Einzig die Kinder dieser Verbindungen hatten etwas mehr Glück: Als Bastarde konnten sie in Elmina bleiben; manche von ihnen erhielten sogar eine Ausbildung.

Links (mit Totenkopf) die Zelle für die Schwarzen, rechts die Zelle für die Weißen

Wir haben genug für heute und wollen nicht mehr weiterfahren. Nach kurzer Verhandlung dürfen wir auf dem Parkplatz direkt vor der Burg übernachten. Heppo drängt darauf, noch durch den Ort zu schlendern. Doch der Spaziergang wird zur Herausforderung: Eine Bande 10-jähriger Buben hängt sich frech an unsere Fersen und macht sich einen Spaß daraus, mir auf den Hintern zu klopfen. Egal, ob späte postkoloniale Rache oder nur ein übler Scherz von Pubertierenden, mir wird es schnell zu viel. Trotz allem verströmt der Ort jedoch mit seinem Hafen, seinen Booten und sogar mit dem ungehobelten Verhalten seiner Jugendlichen das Flair einer echten, kleinen Piratenstadt.

Elmina hat das Flair einer richtigen Piratenstadt

Zurück im LKW können wir nicht schlafen. Es scheint, als ob der Geist Klaus Kinskis wiederauferstanden wäre. Vor unserem LKW steht einer. Er schimpft, schreit und spricht in unverständlichen Sprachen seinen wahnsinnigen Dauermonolog. Schließlich singt er sogar – alles direkt vor unserem Wohnmobil. Ist es ein Schauspieler, der seinen Text übt? Ein Wanderprediger? Ein Verrückter? Oder ein Besessener? Wir werden es erst am nächsten Tag erfahren. Erst dann traut Heppo sich, ihn nach seinen Motiven zu fragen. „I was talking with God!“, sagt der Mann, nun ganz ruhig, und wendet sich zum Gehen.

Blick auf Elmina, vom Fort aus gesehen.

Freunde

Elmina und Berit