Chinguetti

Musikempfehlung zu Mauretanien: Malouma Nebine

Sieht gar nicht so schlimm aus, der Ebroupass, oder?

Ehrfürchtig blicken wir auf den sehr steilen Ebroupass, der über malerische Tafelberge auf das Adrar-Plateau hinaufführt. Sogar die Rallye Paris-Dakar kurvte einst diese halsbrecherische Abfahrt hinab. Diese fand übrigens zum letzten Mal 2007 statt. Wegen Terrordrohungen* wurde sie daraufhin nach Südamerika verlegt.

Tolle Landschaft aus Tafelbergen

Doch der gefürchtete Pass ist zum Glück weit weniger dramatisch als erwartet. Steil ist er schon, aber die Herausforderung für Frau Scherer besteht hauptsächlich darin, im Berggang den Motor nicht zu heiß zu fahren. Kleine Absätze in der Steigung, die eigentlich dazu gedacht sind, Regenwasser über Rinnen gezielt abzuleiten, bieten unserer alten Dame aber immer wieder willkommene, plane Stellen, um sich wieder auf Betriebstemperatur runterzukühlen. Immerhin vier Mal müssen wir ihr eine solche Pause gönnen. Aber bei diesen extremen Temperaturen von über 40 Grad Celsius kommen wir alle ins Schwitzen. Und Frau Scherer muss schließlich die ganze Arbeit leisten.

Frau Scherer machen die extremen Temperaturen schon zu schaffen; immer wieder braucht sie Verschnaufpausen

Unser eigentliches Ziel heißt Chinguetti. Der Ort, dessen Name  irgendwie an  ein italienisches Nudelgericht erinnert, ist seit 1996 Weltkulturerbestätte. Einst bedeutendenes Handelszentrum für durchziehende Karawanen, reisen die Menschen heute vor allem wegen der berühmten, spätmittelalterlichen Textsammlungen an. Hier gibt es viele Schriftstücke mit religiösem Bezug, daher wird Chinguetti auch oft die siebtheiligste Stadt des Islams genannt. Diesen Rang mag dem Ort wohl niemand absprechen, streiten sich die meisten wohl eher um die ersten drei Plätze.

Die Freitagsmoschee: Von Ungläubigen darf sie aber nicht betreten werden. Nur der Blick durch die Tür ist erlaubt.

Auch die schönen Türschlösser verdienen Beachtung

Drei Chinguettis gibt es eigentlich. Aber die erste Stadt wurde vom Sand verschlungen. Der zweite trotzt ihm noch heute; nennen wir sie die Altstadt. Der dritte Teil, die Neustadt, wird eines Tages ebenfalls dem Allesfresser zum Opfer fallen. Doch nicht heute, erst in ein paar Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten wird es so weit sein. Ganz normal, der Lauf der Dinge eben, in Mauretanien…

Liegt hier das alte Chinguetti begraben?

Die sogenannten Bibliotheken befinden sich in der Altstadt. Alle sind sie in Privatbesitz, aber gegen eine kleine Gebühr können sie dennoch besichtigt werden. Zusammen mit unserem Guide Bi landen wir bei Saif al Islam. Stolz erklärt uns der pensionierte Grundschullehrer in bestem Französisch sein Familienerbe. Er zeigt uns ein Werk über Astronomie, eines über die Poesie, in dem sich zwei Dichter unterhalten („ganz wie in einem Chat“), einen winzigen Koran und eines über den Propheten selbst. Vorsichtig öffnet er die Schriftstücke mit seiner grün behandschuhten Hand, zeigt uns sorgsam getuschte Zeichnungen, Miniaturen, Tabellen und lange Zahlenreihen. Wir nicken und blicken ehrfürchtig – diesmal auf die wertvollen Schriftstücke, die wohl eines Tages unter Sand begraben liegen werden. „Le sable, il mange tout!“, sagt Monsieur al Islam daher. Es ist Zeit zu gehen.

Saif al Islam lädt in seine Privatbibliothek

Winziger Koran

* Siehe auch letzter Artikel „Ein Flugzeug wird kommen“ zum Thema “Einbußen im Tourismus”.