Soko, im Dorf der Affen

Bericht aus der Elfenbeinküste (November 2019). Diesmal stammt der Beitrag übrigens von Heppo, auf der Basis einer leicht überarbeiteten E-Mail.


Und hier der Musiktipp: Alpha Blondy kommt aus der Elfenbeinküste:
https://www.youtube.com/watch?v=aOvZw0GdwKE

Da hatten wir noch gut lachen 😀

Seit drei Tagen sind wir in Soko, einem kleinen Ort in der Côte d‘Ivoire, etwa drei Kilometer vor der Grenze zu Ghana. Es ist ein Dorf, so wie man es sich in Afrika eben vorstellt. Auf den Straßen brodelt es förmlich vor Leben. Alle kochen draußen auf Feuerstellen. Alles ist staubig. Die Familien sind groß und wohnen in kleinen Häusern und Hütten. Privatsphäre gibt es nicht, ebenso wenig wie Teerstraßen, eine funktionierende Müllabfuhr oder fließendes Wasser.

Das ganze Leben spielt sich auf der Straße ab.

Moslems, Christen, Baptisten und Animisten leben in Soko friedlich beisammen. Fast alle Bewohner sind auch uns gegenüber sehr freundlich und aufgeschlossen. Überall werden wir mit „Bonjour!“ und “Ça va?“ begrüßt. Die unzähligen Kinder jedoch belagern uns gnadenlos, sobald wir die Tür unseres Wohnmobils nur einen winzigen Spalt öffnen.

Kinder, Kinder, Kinder

Spritverkäufer in Soko

Markttag in Soko

Dieses Gericht scheint es überall auf der Welt zu geben: Fettgebäck

Mensch und Tier, alle sind auf der Straße unterwegs

Inmitten des ganzen Gewusels laufen dann auch noch überall Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner, Hunde, Katzen und sogar Affen umher. Ja, richtig gelesen: Affen. Der Ort ist bekannt dafür. Laut Legende soll ein Zauberer vor langer Zeit alle Einwohner des Dorfes in Affen verwandelt haben, um sie vor den Angriffen ihrer Feinde zu schützen. Leider wurde der Magier selbst  Opfer seines Tuns. So konnte er seinen Zauber nicht mehr rückgängig machen. Seither gelten die Affen hier als heilig. Sidi allerdings findet es nicht sonderlich lustig, wenn die lebhaften Tiere über unseren Köpfen über die improvisierten Stromleitungen turnen. Er regt sich mächtig auf und bellt wütend.

Ein heiliger Affe

Weg durch den Obsthain von Soko mit Bruno

Leider ist gestern etwas Schlimmes passiert: Mitten auf der Hauptstraße durch Soko, einer fiesen Buckelpiste, hatte Frau Scherer einen Blattfederbruch. Nachdem wir einen kurzen Schlag gehört hatten, blockierte der LKW, und die Handbremse ließ sich nicht mehr betätigen. Zuerst dachten wir an ein kaputtes Ventil im Bremskraftverstärker. Nachdem ich dieses aber kontrolliert hatte und uns mittlerweile ein Mechaniker zur Hilfe gekommen war, wurde schnell klar, dass die Bremse an der Hinterachse fest ist. Das Bremsgestänge war deshalb verbogen. Also wir dieses wieder gerade machten, bemerkte ich, dass die obere Lage der hinteren Blattfedern gebrochen war. Dies hatte wohl zur Folge, dass sich die Hinterachse an einer Seite leicht nach hinten verschob und die Handbremse anzog.

Heppo mit Helfern

Zumindest konnten wir Frau Scherer nun wieder bewegen. Ganz vorsichtig fuhren wir so zum Mechaniker. Wie gesagt, die Straßen im ganzen Ort kommen einer Buckelpiste ziemlich gleich. Dort wurde dann alles zerlegt und mit Hilfe unserer zwei Hubmandln wieder in die ungefähre Position gebockt und gedrückt. Wir bauten uns aus zwei Flacheisen und Gewindestangen eine Klammer, die wir am Riss um das ganze Federpaket schraubten. Der Mechaniker versicherte uns, dass er so was schon hundert Mal gemacht hatte und wir damit locker die 250 km bis nach Ghana in die Stadt Kumasi kommen würden. Dort könnten wir neue Federn finden oder passende Ersatzteile. Wieder einmal hieß es also: „NO PROBLEM!!!“

Oh je, Federbruch!

Heute morgen sind wir dann voller Hoffnung in Richtung Ghana losgefahren. Aber nur 800 m weiter, also direkt am Eingangstor zur Grenze, nach einem großen Schlagloch, gab es erneut Probleme. Die Feder war  aus der Klammer gesprungen. Die Hinterachse hatte sich bis Anschlag Radkasten nach hinten verschoben, und das Handbremsgestänge war wieder auf Spannung: Vollblockade…

Kurzer Wutanfall meinerseits! Die Grenzbeamten kamen gleich angerannt und wollten, dass wir den LKW SOFORT durch das Tor fahren, weil angeblich gleich mehrere große „camions“ angerollt kommen würden, die sonst nicht mehr durchpassen. Noch ein kurzer Zornesausbruch meinerseits, denn an dieser Grenze war de facto kaum Verkehr. Schließlich versuchten wir ihnen zu erklären, dass es jetzt nicht mehr möglich sei, den LKW auch nur einen Meter zu bewegen, ohne das dieser noch größeren Schaden nehmen würde. Während immer mehr Menschen auf uns einredeten, versuchte ich,  das Handbremsgestänge zu demontieren, um wenigstens die Blockade zu lösen. Dies gelang mir auch recht schnell, nur hatten wir in dem ganzen Trubel vergessen, einen Keil unterzulegen – mit der dramatische Folge, dass der LKW nun die leicht abschüssige Piste hinab rollte. Berit, ich und noch ein Helfer lagen allerdings unterm Laster! Zum Glück konnten wir uns retten.  Doch der LKW wurde immer schneller und steuerte zielsicher auf den bestimmt 50 cm tiefen Straßengraben zu. Bruno, der Kopierladenbesitzer, der uns gestern schon den ganzen Tag geholfen hatte, versuchte sehr geistesgegenwärtig,  einen großen Stein vor die Räder zu werfen. Doch Frau Scherer rollte locker über diesen hinweg.

Ich sprinte also sofort dem Laster hinterher, hechte ins Fahrerhaus, wo dummerweise Sidi am Fahrersitz liegt. Trotzdem schaffe ich es irgendwie, einen Fuß auf die Bremse zu bekommen: Frau Scherer kommt “kurz vor knapp”  zum Stehen! Was für eine Aufregung!  Und was für ein unglaubliches Glück, dass niemandem etwas passiert ist und dass das Fahrzeug nun nicht im Graben liegt!

Irgendwie schafften wir es  in die Halle vom Zoll, wo wir mit Hilfe aus der Nachtbarschaft und dem Rat von unserem Freund Braisl (via Chat) drei Klammern um die Federn spannten. So soll ein weiteres Mal ein Nachhintenrutschen der Achse vermieden werden. (Zur Erklärung: Die Achse hängt am Fahrgestell nur an den zwei oberen Lagen Blattfedern, nämlich an den Federbolzen.) Zusätzlich sicherten wir dann nochmal alles mit einem dicken Spanngurt.

Ehrlich, gerade kann ich mir nicht so richtig vorstellen, dass wir es mit diesem Provisorium überhaupt bis nach Kumasi schaffen werden. Ob wir dann dort so einfach eine neue Feder bekommen werden, steht dann nochmal auf einem anderen “Blatt”. Ein kleiner Trost ist hingegen unser Dreimonatsvisum für Ghana. Und durch die Grenze werden wir es schon irgendwie schaffen…

Der Anfang unserer Probleme: Ganz rechts im Bild, die kaputte Blattfeder

Wir hatten mit Bruno und den Jungs heute trotz allem eine gute Zeit. Meine Helfer konnten es kaum fassen, was wir alles an Werkzeug und Ausrüstung dabei haben. Das Konzept “Langzeitreisen mit Wohnmobil” ist den meisten völlig unbekannt. Dass wir alles so „komplett haben“ wird oft und ausdauernd diskutiert. Ja, die Deutschen …! Wieder einmal mehr wird uns bewusst, wie privilegiert wir in Europa sind.

Heppo mit Bruno, dem Kopierladenbesitzer von Soko

Berit hat fleißig für alle gekocht und Zigaretten gedreht. Als es dann noch ein gekühltes Feierabendbier (ja, es gibt Bier in der Elfenbeinküste: Bock!)  für alle gab, war die Freude groß.

Zuletzt: Einer darf in so einer Situation natürlich niemals fehlen: Der betrunkene Problembär. Kaum hat man eine Situation geschafft, kommt er zuverlässig um die Ecke und sorgt dafür, dass der Ärger nicht abreißt. Während wir mit den netten Freiwilligen schraubten, beschimpfte er Berit als Hure und – deutlich origineller – unseren LKW als Lastwagen des Teufels (Camion du Satan).

So wie uns Frau Scherer gerade mal wieder ärgert, mag er damit vielleicht sogar Recht aber, aber sicher anders, als von ihm gemeint.

Bitte drückt uns die Daumen! Es bleibt wie immer spannend!

Brunos Schwester