Archiv der Kategorie: Westafrika 2019

Voodoo in Benin

Bei Matsch & Piste erschien mein Bericht über unseren Aufenthalt in Benin, pünktlich zum Voodoo-Festival Anfang Januar:

Mit Frau Scherer durch Westafrika – Teil 5. Benin #1, Voodoo

Frau Scherer ist wieder zu Hause!

Oh happy day: Frau Scherer in Hamburg

Leider komme ich gerade fast nicht zum Schreiben. Ein Artikel über Frau Scherers spannende Rückreise mit dem Schiff von Abidjan (Elfenbeinküste) nach Hamburg und weiter Richtung Regensburg muss daher noch etwas warten, ebenso die ausstehenden Berichte über Togo und Benin… Seufz, das Landleben hält uns ziemlich auf Trab. Ich sage nur: “Kartoffelacker!”

Soviel sei dennoch schon verraten: Frau Scherer steht mittlerweile wieder bei uns am Hof – zum Glück nur leicht lädiert, dafür aber mit neuem Selbstbewusstsein. Selbstständig ist unser Expeditionsmobil geworden! Es kann nun schon ganz alleine von Kontinent zu Kontinent reisen. Wahnsinn!

Die Verschiffung ging übrigens über ECU Worldwide: Das ist ein sogenannter Forwarder (Agent), den wir mit bestem Gewissen empfehlen können. Es gibt Ansprechpartner in Hamburg, auch  in Abidjan und an weiteren Häfen weltweit.

Mutig sein!

Trotz unserer verfrühten Rückkehr nach Deutschland möchte ich nach wie vor von Afrika berichten. Hier geht es also nun weiter mit einem Bericht aus Ghana (Januar 2020):


Heute ertrage ich die Aussicht nur gefiltert!

Als wir am nächsten Morgen aufwachen, dem ersten Tag des neuen Jahres 2020, realisiere ich erst,  was neben dem Rising Phoenix so los ist. Das Gewusel dort hatte ich gestern schon irgendwie registriert, aber offenbar war mein Gehirn von all der Information  so komplett überfordert gewesen, so dass ich wohl immer schräg daran vorbei geguckt haben  musste. Dabei ist das, was dort geschieht, eigentlich ganz normal und einfach nur typisch Afrika. Auf einem großen Platz spielt sich das gesamte Leben des gleichzeitig so dörflichen wie städtischen Viertels von Accra ab. Da wird gekocht, gewaschen, Kinder spielen und Hunde laufen durcheinander. Man massiert sich gegenseitig, streitet, dealt mit Gras, raucht Zigaretten und trinkt Alkohol. Alles, einfach alles, spielt sich hier öffentlich ab.
Etwas von der Ferne betrachtet sieht dieses afrikanische Sittengemälde aus wie ein riesiger Haufen aus Menschen, Tieren und großen Töpfen. Doch bei längerer Beobachtung dieses eigentlich harmlosen Wimmelbildes merke ich, wie meine Synapsen das wilde und bunte Durcheinander nur schwer ertragen können. Manchmal muss man mutig sein, vor allem bei Dingen, die man so gar nicht erwartet.
Vielleicht verhält es sich hier ja ein bisschen so wie bei der Geschichte mit den Schiffen von Columbus. Diese konnten  von den  amerikanischen Ureinwohnern nicht wahrgenommen werden, einfach deshalb, weil das, was sie sahen, so völlig anders war als alles, was sie bisher gekannt  hatten. Eine seltsame Erfahrung, das merke ich gerade jetzt, und ein Lehrstück darüber, wie Wahrnehmung funktioniert.

Ähnliche Themen beschäftigen auch das amerikanische Lehrerehepaar Polly und Leo. Die beiden sympathischen Kalifornier, die gerade ein Auslandsjahr als Lehrer an einer internationalen Schule in Accra verbringen, hatten wir in der Ashanti-Region bei einem der Kente-Weberdörfer kennengelernt. Obwohl ich sonst selten so forsch bin, hatte ich damals die beiden nach ihrem Kontakt gefragt. Nun haben wir uns  mehr oder weniger selbst zu ihnen eingeladen. Die Sympathie ist aber zum Glück gegenseitig. Sie wohnen in einem mit Stacheldraht gesicherten Anwesen der Schule, in dem  ausschließlich Mitarbeiter der Lincoln School untergebracht sind.

Polly ist Grundschullehrerin und fiebert bereits der Rückkehr nach Kalifornien entgegen. Leo als Kunstlehrer kann dagegen Ghana doch einiges abgewinnen, vermutlich sogar sehr viel. In seinen großformatigen Arbeiten beschäftigt er sich mit Voodoo, Geistern, unheiligen Familien, wilden Männern, dem Boogieman und Opfergaben. Wiederkehrende Symbole sind anatomisch gezeichnete Herzen und Krähen. Ganz schön düster! Dazu sitzen die beiden in einer fast komplett verdunkelten und stark gekühlten Wohnung und hören dunklen Ambientsound – ein extremer Kontrast zum bunten und heißen Leben draußen vor der Tür. Fast scheint es, als ob die beiden ein (dunkles?) Geheimnis hätten…

Trotzdem, diese beiden Menschen sind so liebenswert und gastfreundlich, dass wir uns auf der Stelle sehr wohl bei ihnen  fühlen. Interessante Leute sind das, die bereits in Japan, Indien, Saudi Arabien und an vielen weiteren Ländern auf dieser Welt als Lehrer gearbeitet haben. Ghana wird aber wohl ihre letzte Auslandserfahrung bleiben, denn die beiden sind eigentlich schon längst im Rentneralter. Ich finde ihr Engagement auf jeden Fall sehr bewundernswert. Sie ähneln in mancher Hinsicht dem  Resort-Besitzer Philippe vom Fanta Folly‘s Beach. Hier  treffen wir also schon wieder auf Menschen, die sich nicht gemütlich in festgefahrenen Bahnen bewegen, sondern die sich trotz ihres fortgeschrittenen Alters ihre Neugier bewahrt haben und Neues ausprobieren wollen. Sie sind für mich ein Vorbild, und ich nehme mir fest vor, auch weiterhin neugierig, mutig und unerschrocken zu sein. Kein schlechter Vorsatz für das neue Jahr, nicht wahr?

Silvester in der Stadt

Trotz unserer verfrühten Rückkehr nach Deutschland möchte ich nach wie vor von Afrika berichten. Hier geht es also nun weiter mit einem Bericht aus Ghana (Dezember 2019):


Raketen kaufen beim Böllermann

Heute ist Silvester. Weil uns nichts Besseres einfällt, bleiben wir gleich neben der Rising Phoenix Bar in Accra am Strand stehen. Die Sache erscheint uns als guter Kompromiss. Die schöne Bar hat zwar geöffnet, aber eine große Party wird dort nicht stattfinden. Wir haben etwas Angst um Sidi, der seine Jahresübergänge immer sehr ruhig verbringen durfte. Die Knallerei ist ja für die meisten Hunde eine echte Qual. Wir wissen nicht, wie und ob er auf Raketen und Böller reagieren wird…

Auch ein schöner Stellplatz in Accra: Next Door Beach Resort

Dass der Abend dann einerseits unglaublich öde und andererseits schrecklich aufregend werden würde, haben wir uns nicht ausmalen können. Nun, es ist wirklich fast niemand in der Bar. Nur ein paar dieser schrecklich schnöseligen „Respect-Man-Rastaboys“, die mir wirklich total auf die Nerven gehen, sind anwesend. Wir wollen den Jungs trotzdem eine Chance geben und setzen uns mit ihnen zusammen. Während der eine es aber nur auf “free beer and free cigarettes ” abgesehen hat, ist der andere dermaßen bekifft, dass er immer wieder mitten im Satz einschläft. Gähn! Heppo und ich kommen auch nicht recht in Partylaune. So sitzen wir also nur die Zeit ab, bis es endlich Mitternacht ist, wo wir ein spektakuläres, aber weit entferntes Feuerwerk über dem Meer beobachten können. „Endlich darf ich ins Bett!“, freue ich mich und ziehe mich in den LKW zurück.

Mückensicherer und künstlerischer Blick durchs Fenster, vor der Rising Phoenix Bar

Während Heppo noch laut darüber nachdenkt, ob er seinen neuen Rastafreunden in einen Club in der City folgen soll, beginnt eine Horde Menschen direkt vor unserem Laster ihre Knallfrösche auszupacken. Unser Hund ist nach nur wenigen Minuten ein absolutes Nervenbündel. Schwer atmend liegt er nun in der Ecke, sabbernd und hyperventilierend. Wir haben wirklich Angst um ihn. Ich versuche, ihm die Ohren zuzuhalten, ihn mit lauter Musik abzulenken und singe ihm sogar Lieder vor. Nichts hilft. Unser Hund ist außer sich!

Unser armer Hund Sidi macht in Afrika  einiges mit…

Draußen steigert sich das Geballere noch: Kaum ist eine Gruppe fertig, rollt die nächste an und zündet munter Kracher um Kracher und Rakete um Rakete. Als einziges Ablenkungsmittel fällt mir nur noch ein, Sidi zu uns Bett zu holen, – normalerweise ein striktes No-Go. Erst als er unter einem dünnen Laken zwischen uns liegt, beruhigt er sich etwas. Der arme Kerl!

Manchmal hat er aber auch richtig Spaß mit uns, ehrlich!

Orgakram in Accra

Trotz unserer verfrühten Rückkehr nach Deutschland möchte ich nach wie vor von Afrika berichten. Hier geht es also nun weiter mit einem Bericht aus Ghana (Dezember 2019):


Straßenszene in Accra

Am Montagmorgen finden wir uns wie vereinbart vor dem Immigration Office ein. Das Amt ist abgeriegelt wie ein Hochsicherheitstrakt, mit Stacheldraht gesichertem Parkplatz, bewachter Eingangsschleuse und einem Warteraum, wo man sich in eine Kontaktliste eintragen muss. Unser Kontaktmann  Mr Andy hatte eine Autopanne und muss leider absagen. Am Telefon teilt er uns aber mit , dass er einen seiner Kollegen schickt. Bald darauf werden wir wie vereinbart abgeholt. Neben der offiziellen Bearbeitungsgebühr werden noch zusätzliche 80 ghc (ca. 12 Euro) für die „schnelle Bearbeitung“ fällig. Bis Ende der Woche soll unser 3 Monate gültiges Re-Entry-Visum dann fertig sein.

Weil wir gerade in Organisationslaune sind, besorgen wir uns auch noch gleich ein Visum für Togo. 100 US$ kostet dieses pro Person. An der Grenze bekommt man dies zwar deutlich günstiger, für etwa 15 Euro pro Person. Allerdings geht das nur an bestimmten Grenzübergängen, z.B. nur am stressigen Grenzübergang Aflao bei Lomé, nicht aber am deutlich ruhigeren und entspannteren Grenzübergang in Dzodze, ein Stück weiter nördlich, und nur beschränkt auf 7 Tage. Da wir aber mindestens zwei Mal das Land durchqueren, auch länger als eine Woche bleiben und zur Verlängerung bei der Rückreise nicht von Norden nach Süden in die Hauptstadt fahren möchten, nehmen wir den enormen Preisunterschied trotzdem in Kauf.

Wimmelbild mit Männern

Am selben Tag versuchen wir außerdem, noch einen 12-Volt-Ventilator aufzutreiben, nachdem unser alter mittlerweile den Geist aufgegeben hat. Auf der Suche nach einem solchen landen wir in Nima, im Nordosten von Accra, einem eher armen Viertel mit hohem Migrantenanteil. Uns fällt vor allem auf, dass hier plötzlich besonders viele Muslime zu wohnen scheinen. Eine riesige Moschee überragt den ganzen Stadtteil. Hier ist plötzlich alles arabisch-afrikanisch. Wir sind die einzigen Weißen weit und breit. Eine andere Welt ist das! Statt körperbetonter, afrikanischer Kleidung werden lange, bunte Glitzerroben zum Verkauf angeboten; viele vollständig verschleierte Frauen laufen herum. Es werden auch Gebetsteppiche in allen Formen und Größen angeboten, ebenso Koranständer und buntes Tee-Service. Einen kleinen Ventilator mit 12-Volt-Stecker finden wir aber nicht. Es ist wirklich wie verhext: Noch in der Elfenbeinküste wurde uns dieses Modell fast täglich zum Kauf angeboten, doch in Ghana scheint es so etwas nicht zu geben. Alle Ventilatoren sind große Standmodelle und werden ausschließlich mit 230-Volt-Stecker geliefert.

Heppo in Verhandlungen mit der Stoßdämpfergang

Einen letzten Versuch wollen wir noch unternehmen. Zurück in der Innenstadt finden wir einen kostenfreien Parkplatz vor der hübschen Rising Phoenix Reagge-Bar mit angeschlossenem Hostel. Von hier aus gehen wir ein paar Minuten in ein Viertel, in dem in engen Gassen ausschließlich Elektrogeräte angeboten werden.

In Accra macht uns der Verkehr völlig kirre!

Doch auch hier hat wieder keiner ein passendes Modell für uns. Man schickt uns weiter. Und immer öfter hören wir den Namen einer bestimmten Person: „Wenn jemand so etwas hat, dann Mamie Akwa!“ Irgendwann stehen wir vor ihrem Laden. Der ist so klein, dass nicht mehr als drei Leute beieinander stehen können. Mamie Akwa steht füllig und beleibt, zusammen mit ihrer dünneren Tochter, hinter ihrem Tresen. Um die beiden Frauen herum stapeln sich Kartons mit Radios, Uhren, Leuchten und Stabmixern. Auch kleine Ventilatoren gibt es, doch wieder nur mit 230-Volt. Mamie jedoch weiß Rat. Sie schickt einen ihrer Laufburschen ins Lager. Kurz darauf kommt er mit dem exakt gleichen Modell zurück, das wir uns wünschen,  nur eine Nummer größer. Wir sind überglücklich. Das ist sogar noch besser! Endlich nicht mehr schwitzen während der Fahrt. Auch für Sidi ist die Luftzirkulation überlebensnotwendig geworden. Die Hitze ist mittlerweile nämlich wirklich fast unerträglich geworden. Mamie ist guter Dinge und weiß genau um unsere Not. So lässt sie sich – ganz tüchtige Geschäftsfrau – auch keinen Millimeter von ihren Preisvorstellungen herunterhandeln. „Das war der letzte!“, sagt sie und grinst. Na, gut! Was sollen wir da feilschen? Wenn dies wirklich der letzte 12-Volt-Ventilator in ganz Ghana sein sollte, dann ist er wahrscheinlich auch deutlich mehr wert, als die läppischen 40 ghc, die wir für das verdammte Ding zahlen. Merci Mamie!

Merci Mamie für den 12-Volt-Ventilator!