Surfen in Marokko

Schönes El Jadida: Die Cité Portugaise ist Weltkulturerbe.

Musikempfehlung zu diesem Artikel: Was Said gerne nach einem Surftag bei einer kleinen Entspannungszigarette hört: Wes Mackey und B. B. King.

Uns zieht es weiter an der Küste entlang. Über das verschlafene Azzemour und das touristisch herausgeputzte El Jadida mit seiner portugiesischen Festungsanlage, die übrigens UNESCO-Weltkulturerbe ist, fahren wir in den schicken Ort Oualidia. 2006 waren wir schon einmal mit dem Rucksack hier. Nun staunen wir nicht schlecht: Das Dorf war uns als eher verschlafen in Erinnerung geblieben und der halbrunde Strand mit seinen dramatischen Felsen vor allem deswegen, weil meine Turnschuhe an den scharfkantigen Steinen damalsihr Leben ließen. 13 Jahre später ist Oualidia nicht wiederzuerkennen. Aus dem Dorf ist eine kleine Stadt geworden, mit neuen Ferienhäusern und – für marokkanische Verhältnisse – extrem teuren Fischrestaurants (Gerichte ab 150 MAD). Zahlreiche Touristen sind hier. Es fällt auf, dass viele von ihnen einen kolonialistischen Kleidungsstil pflegen. SIE trägt ein langes fließendes, pastellfarbenes Kleid, Strohhut und Sonnenschirmchen. ER hat einen sandfarbenenen Zweiteiler an und ein weißes Hemd. Die Anzughose ist lässig auf Hochwasserlänge gekrempelt. Die weißen Füße wühlen sich in den Sand. Teure Halbschuhe stehen daneben. Perfekt, dass in dieser beeindruckenden Kulisse zwischen bunten Fischerbooten und kreisenden Möwen auch Austern geschlürft werden können (Direktverkauf durch die Fischer). Sieht gut aus, weckt dennoch vielleicht komische Assoziationen bei den Einheimischen. Wahrscheinlich ist das aber nur die logische Konsequenz, wenn die ganze Welt durch die schöne „Instagram“ -Brille betrachtet wird.

Nur die scharfkantigen Felsen sind gleich geblieben. Sonst hat sich in Oualidia fast alles verändert.

Wir haben genug gesehen, und Heppo möchte sowieso nur eines. (Nein, nicht das, was ihr denkt!), sondern surfen. Es ist schon sieben Jahre her, dass er zum letzten Mal auf seinem Board stand. Der weltbekannte Surfspot Lalla Fatna hat es ihm angetan. Über eine gewundene, kurze Serpentinenstrecke geht es die Steilküste hinab bis fast zum Strand. Wir bleiben aber auf halber Strecke bei einem größeren Parkplatz stehen, weil der Weg danach für unseren LKW zu steil und die Kurven zu eng werden. Atemberaubend ist, was wir erblicken: Toller, weißer Strand, fantastischer Blick über die felsige Steilküste und ein wildes, wogendes Meer.

Schöner Strand bei Lalla Fatna

Im hippen Café am Strand treffen wir Said. „Klar, kann ich Heppo ein paar Surfstunden geben!“, sagt der muskulöse Surfboy. „Aber nicht hier!“, fügt er hinzu. Der Platz sei zu schwierig. Profis aus aller Welt kämen extra nach Lalla Fatna. Die Wellen seien allerdings hier  zu hoch, die Strömung zu extrem. Aber ein paar Kilometer weiter, in Safi, sei ein guter Spot, um sich wieder mit dem Meer vertraut zu machen.

Katze im Surfcafé

Was er denn für zwei oder drei Stunden Unterricht haben wolle, fragt Heppo. „Just love and peace…“, antwortet Said mit fester Stimme und schiebt leise ein gemurmeltes „…and 200 Dirham.“ hinterher.

Lustige Aufwärmübungen am Strand…

Zusammen mit unserem neuen Bekannten geht es nach Safi in den Industriehafen. Dass hier direkt am Strand eine große Fabrik steht, muss einfach ausgeblendet werden. Sonst ist es ja eigentlich ganz schön. „Die Industrie ist wirklich kein Problem“, meint Said, denn die Strömung fließt angeblich  in die andere Richtung. Während Heppo sich schon mal surffertig macht und lustige Aufwärmübungen absolviert, positioniere ich mich mit der Kamera am Strand, um die kommenden Stunts meines Mannes festzuhalten. Ich werde nicht mal die kleine Zehe ins Wasser halten, das nehme ich mir fest vor. Heppo übt unterdessen den Sprung auf ein Surfbrett mit Hilfe einer in den Sand gezeichneten Linie,  Sieht gut aus. Anscheinend stellt er sich gar nicht schlecht an, denn er darf gleich ins Wasser. Ziemlich schnell kommt er auf seinem Brett zum Stehen, aber genauso schnell landet er auch wieder kopfüber in der Welle. Ich mache ein paar lustige Flugbilder, bis es mir zu heiß wird und ich zu Sidi und Ventilator in Frau Scherers Schutz auf den Parkplatz flüchte.

Heppo kann das besser, aber ich hatte irgendwann keine Lust mehr zu fotografieren.

Die kommenden Tage werden wir einige der bekanntesten Surfspots Marokkos abklappern. In Sidi Kauki gefällt es uns nicht sonderlich: Das Wasser ist voller Quallen, also schnell weiter. Imessouane ist da schon um einiges beeindruckender: Eine Welle bricht sich dort kontinuierlich an der Kaimauer. Das ist interessant für viele Surfanfänger und auch für Schaulustige und eher Unsportliche wie mich. Scharen von Menschen strömen hier wie die Lemminge ins Wasser, nur um immer wieder an Land gespült zu werden. Für den Beobachter sieht es so aus, als ob immer mehr und noch mehr Leute ins Meer gehen würden. Das neblige Wetter und der Berg, der im Hintergrund von den wenigen Sonnenstrahlen angeleuchtet wird, die es zum Sonnenuntergang durch den Nebel schaffen, sorgen für eine sehr spezielle Stimmung. Und dann sind da noch die unzähligen Hunde, die in den Brackwassertümpeln bei Ebbe nach kleinen Meerestieren suchen, die Katzen, die auf Netzen zusammengerollt liegen, und die Möwen, die sich begierig auf den Beifang der Fischer stürzen. Ich kaufe mir einen frischgepressten Orangensaft in einem der Cafés und freue mich ganz einfach daran, an diesem besonderen Ort zu sein und über die schöne Bucht und die blauen Fischerboote zu blicken.Der Restaurantbesitzer heißt Chakib und ist ein richtiger Charmeur. Deutsch spricht er mit norddeutschem Einschlag. „Ich bin Hamburger.“, sagt er. Als ich zahlen möchte, winkt er ab. „Ach, es geht doch nicht immer nur ums Geld!“. Zum Abschied zwinkert er mir zu: „Verliere nie dein Lachen Kleines. Das ist nämlich ganz wunderbar!“ Auch mal nett, alleine unterwegs zu sein.

Was sich die Möwen wohl denken?

Und was diese Katze?

Heppo hat unterdessen ebenfalls eine Bekanntschaft geschlossen. Nils aus Stuttgart ist ein weißblonder Hüne, der seit fünf Monaten durch Spanien, Portugal und Marokko tingelt und alle Surfspots anfährt. Abends sitzen wir beisammen, trinken Wein und spielen Durak, ein russisches Kartenspiel. Als er enthusiastisch von seiner Mama erzählt, die Kajaklehrerin ist, frage ich vorsichtig nach deren Alter. So etwa 42 oder 43, sei die, meint Nils, genau wisse er es nicht. Während Heppo und Nils sich als Surffans auch über eine Generationengrenze hinweg bestens verstehen, durchlebe ich – unbemerkt von den beiden anderen – eine kleine Midlifecrisis. Da sitze ich nun mit einem 20 jährigen beim Kartenspiel, der theoretisch mein Sohn sein könnte,  und 60-jährige Marokkaner finden mich gut. Völlig unbeeindruckt machen die Männer ein frühmorgendliches Surfen miteinander aus. „Um 6 Uhr aufstehen und dann erst mal Wavecheck laufen gehen“, meint Nils in bestem Neudeutsch. Schließlich gelte es herauszufinden, ob es sich denn überhaupt lohne, sich in den Surfanzug zu quetschen. Ich seufze laut und denke mir still: „Jetzt ist es soweit, ich werde alt!“

Imessouane, wo die Surfer sich wie Lemminge verhalten 

Aus der Bahn: Hier kommt der Profi