Mauretanische Tierwelt

Agiler Gecko in stacheligen Bäumen (Foto: Heppo)

Weil es an den beiden Bergen so schön ist, beschließen wir, noch etwas auf der Südseite des Ben Amira zu bleiben. Dort stehen wir in einem Halbrund, umgeben von dem Berg und seinem Ausläufer, inmitten schattiger Bäume. Zur Dämmerung kommen große Scharen Fledermäuse, die so tief über unseren Köpfen kreisen, dass wir ihre zarten, durchscheinenden Flügel sehen können. Große, gelbe und unglaublich flinke Spinnen flitzen über den steinigen Boden. Es ist die Walzen- oder Kamelspinne, deren Biss zwar nicht giftig aber schmerzhaft ist und zu schweren Entzündungsreaktionen führen kann. Kleine Echsen springen durchs Gebüsch und hangeln sich behände von Ast zu Ast, wie Äffchen. Ich ziehe nun wohl doch besser öfter mal feste Schuhe an. Spätestens seit ich gelesen habe, dass hier gerade auch die Schlangen eher nachtaktiv sind – tagsüber ist es ihnen tatsächlich zu heiß –  bin ich etwas beunruhigt. Trotzdem begeben wir uns auch gerade nachts, zwischen stacheligen Büschen und Bäumen, auf eine kleine Minisafari und beobachten fasziniert, was hier alles so kreucht und fleucht.

Frau Scherer, vom Ben Amira aus gesehen

Sogar ein kleines Dramolett mit Tieren, in 5 Akten, wird uns geboten:

Ben Amira: Wir finden, er ist zu steil und zu glatt

1. Akt: Am Morgen versuchen wir, den Ben Amira zu erklimmen. Dies ist einzig auf der Südseite möglich. Eine arge Kraxelei über große Felsen und Geröllbrocken steht uns bevor. Ich gebe nach etwa einem Drittel der Strecke auf und Heppo ungefähr nach der Hälfte. Der blanke Fels wird zu steil und zu glatt zum Weitergehen. Wir legen uns stattdessen lieber in die Hängematte.

Seltenes Bild: Heppo in der Hängematte

2. Akt: Die Ziegen scheint aber das unwegsame Terrain geradezu zu reizen. Sehr zum Leidwesen des Hütehundes, der verzweifelt der immer höher und höher hinauf steigenden Herde hinterher bellt. Er hat ein Problem: Alleine, ohne sie, kann er unmöglich zum Dorf zurückkehren.

Exemplarische mauretanische Ziege

3. Akt: Die Ziegenbesitzer bemerken am Abend den Verlust ihrer Tiere. Eine ältere, dicke Frau und ein betagter, dünner Mann kommen zum Berg. Nach einigem Suchen erspähen sie die Ziegen in der steilen Bergflanke. Die Frau schimpft und lamentiert. Der Mann lümmelt auf der Motorhaube des Landrovers und zuckt mit den Schultern. Die Ziegen reagieren ungerührt. Sie steigen noch weiter den Berg hinauf. Das Paar fährt davon.

4. Akt: Die Frau kehrt zurück mit einer größeren Delegation. Sie hat die jüngeren Brüder mitgebracht oder ihre Söhne, außerdem einen großen Sack Futter mit dem sie raschelt und einen Topf, auf dem sie herumklappert. Sie schimpft noch mehr und verdammt den Tag, an dem sie sich diese „verdammten Ziegen” angeschafft hat. (Das verstehen wir zwar nicht, wird sinngemäß aber absolut klar!). Die Ziegen zeigen ihr den (symbolischen) Stinkefinger und steigen noch etwas weiter auf.
Der Hund schleicht mit gesenktem Kopf und eingezogenem Schwanz hinter uns durch die Szenerie.
Nun wird der letzte Trumpf gezogen: Die jungen Brüder oder Söhne müssen ausrücken. In Windeseile erklimmen sie den Berg und passieren dabei ohne Probleme auch die Stellen, an denen wir jeweils kapitulierten. Wohlgemerkt: Sie machen das in Flipflops. Von zwei Seiten nähern sie sich nun den widerspenstigen Tieren. Fast sieht es so aus, als ob die Ziegen nun klein beigeben würden. Aber diese Punks unter den Tieren haben nun einmal ihren eigenen Kopf. Über eine absolut unpassierbar aussehende Felsrinne steigen sie schräg noch weiter in den Berg auf und sind bald darauf verschwunden. Die Nacht bricht an,  die Familie zieht unverrichteter Dinge wieder ab. Die deutschen Zuschauer haben ein schlechtes Gewissen, weil sie das ganze Spektakel gemütlich aus der Hängematte beobachten.

5. Akt: Die Familie scheint kapituliert zu haben. Motto: „Sollen diese doofen Viecher doch Bergziegen bleiben. Uns doch egal!“ Doch dann, ganz plötzlich und unerwartet, ein luftig- leichter Ausgang des Dramoletts: Am nächsten Abend steigen die Tiere ganz von selbst den Berg hinab. Der Hund tritt auf – freudig und selbstbewusst mit dem Schwanz wedelnd. Endlich kann er zurück nach Hause. Fahndungserfolg! Happy end!

Perfekt getarnt, der sogenannte Fransenfinger