Archiv der Kategorie: Ghana

Glück und Pech

Musiktipp: Sushine day von Oisibisa mit Musikern aus Ghana, London und Nigeria:
https://www.youtube.com/watch?v=MeH3OdgGHso

Frau Scherer will Aufmerksamkeit

„Unsere nächste Reise machen wir definitv zu Fuß, oder mit dem Fahrrad oder meinetwegen mit einem Esel!“, jammert Heppo. Und Recht hat er. Wir haben genug. Dauernd muss man sich um Frau Scherer kümmern. An ihr schrauben und basteln. „Ich mag wirklich nicht mehr. Seit Tagen liege ich nun schon im größten Siff!“ Heppo guckt mich verzweifelt an: „Wenn ich meinen Helfern nicht ununterbrochen auf die Finger schaue, reparieren uns die noch das ganze Auto kaputt!“

Wir kennen eine Menge Leute, die sich in Marokko, Indien oder sogar China neue Federn haben anfertigen und einbauen lassen, zu Schnäppchenpreisen und ohne Beanstandungen. Wir jedoch haben stets Pech: Immer, wenn wir etwas an unserem Expeditionsmobil machen lassen, haben wir danach mehr Probleme als zuvor.

Aufgesprüht

Sprühmeister

Jetzt zum Beispiel wieder: Die Springs & Bolts Company in Kumasi sieht zwar nach einer wirklich ordentlichen Firma aus, aber, was uns hier geliefert wird, ist eine echte Katastrophe! Auf den ersten Blick sehen die Federpakete toll aus, man hat sich sogar die Mühe gemacht mit gelber Farbe ein MB für Mercedes Benz und die Typbezeichnung LA710 aufzusprühen. Doch was hilft es, wenn sonst nicht passt? Die einzelnen Lagen liegen nicht plan aufeinander, die zweite Lage ist um das Auge herum zu dick gebogen und – was wir blöderweise erst nach dem Einbauen feststellen – bei einem der Pakete fehlt sogar eine komplette Lage. Das darf doch einfach nicht wahr sein. Alles muss nun noch mal ausgebaut werden. Die Mitarbeiter der Firma, die Heppo zur Seite gestellt wurden, sind keine Mechaniker und daher auch keine wirkliche Hilfe. Im Gegenteil! George, der Chef, ist redlich bemüht um Schadensbegrenzung. Er gibt uns Bier aus und versucht uns zu beruhigen. Der indische Ingenieur darf sich dafür eine Standpauke anhören. Er senkt den Kopf und sagt: „Yes Sir, it‘s all my fault!“ Er tut uns ein bisschen leid, aber wir hatten ihn wiederholt darauf hingewiesen, Fotos von den Federn zu machen und diese genauer auszumessen.

Sorry George, aber an Deinen Federn musst Du echt noch arbeiten!

Mit zunehmendem Bierkonsum wird George redselig und erzählt uns seine Lebensgeschichte: Als ungeliebtes Kind wurde er in eine sehr einfache Farmerfamilie geboren. Fast ohne Schulbildung ging er Anfang der 80er Jahre als „Shoeshine“ (Schuhputzer) nach Nigeria. Bald lernte er Leute kennen, die mit Autoersatzteilen handelten. Er stieg in das Geschäft mit ein und wurde prompt um seine ganzen Ersparnisse (1000 Dollar) betrogen. Doch er blieb dabei und vermehrte schnell sein Vermögen. Zurück in Ghana kaufte er sich ein Stück Land und gründete außerdem ein Ersatzteilgeschäft in Kumasi. Auf seinem Land baute er Gemüse im großen Stil an. 2011 wurde er Ghanas Best Farmer, worauf er noch heute besonders stolz ist. Heute arbeiten 120 Angestellte auf seiner Farm. Vor drei Jahren übernahm er die Federnfabrik mit dem Ziel diese zu einem führenden Unternehmen in Ghana aufbauen.

Zum Verzweifeln!

Vor seinem Büro hängen die Leitsätze der Firma:
Mission: To manufacture and sell high quality leaf springs, u-bolts, trailer suspensions, bolts and nuts that meet international standards in the West-African sub-regions.

Visions: To be the leader in the manufacturing of quality and affordable leaf springs, trailer suspensions, spring and u-bolts in the West African sub-regions and Africa at large. To become the number one brand in the African automotive industry.

Große Worte! Wir wünschen George viel Glück, seinen Kunden allerdings auch!

Spruch am Firmengelände der Springs & Bolts Company: Man hätte Lust es trotzdem zu tun.


Auch interessant: Was nigerianische Teenager nur mit Handys machen: Coole Kurzfilem drehen: Z, the beginning
https://www.youtube.com/watch?v=Z4dfVgFsjQc

Der Kratersee Bosumtwi

Musiktipp: Musik aus Ghana aus dem Jahr 1976: Vis-a-Vis mit Guu Ahoroo

Wirklich idyllisch ist es am Ufer des Kratersees Bosumtwi

Heppo kann nicht schlafen. Die Federproblematik beschäftigt ihn sehr. So fahren wir noch einmal nach Kumasi zurück, um mit dem indischen Ingenieur zu sprechen. Heppo möchte, dass dieser unsere Originalfedern gründlich vermisst und abfotografiert. Doch dieser reagiert genervt und abweisend: „No problem. Trust us. We are experts. Come back on Monday!“, bekommen wir zu hören. Da hilft also nur abzuwarten.

Die Kinder turnen extra für uns

Zeit, wieder einen Ausflug ins Umland zu unternehmen: Der See Bosumtwi, der vor etwa 1 Million Jahren durch den Einschlag eines Meteoriten entstand, zählt zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten der Ashantiregion. 11 verschiedene Fischarten leben in dem über 10 Kilometer tiefen See, der gute 80 Kilometer Durchmesser hat. Laut der Bevölkerung kommen die Seelen der Verstorbenen zuerst an das Ufer des Bosumtwi, um Abschied zu nehmen, bevor sie in das Reich der Ahnen weiterziehen. In unserem Reiseführer finde ich außerdem noch die abenteuerliche Geschichte, dass der See Gase bildet, die jeden Moment zu seiner Explosion führen können. Bei weiteren Recherchen kann ich jedoch nichts über dieses Phänomen finden. Der Autor hat den Bosumtwi wahrscheinlich mit dem Nyos-See in Kameroun verwechselt, der wie der Manoun-See (ebenfalls in Kameroun) und der Kiwu-See zwischen Ruanda und DR Kongo zu plötzlichen und oftmals tödlichen Entgasungen von großen Mengen Kohlenstoffdioxid neigt.

Wir chillen. Sidi ist es aber viel zu heiß!

Trotz der vermeintlichen Gefahr gelingt es uns ganz gut zu entspannen und meine Erkältung zu kurieren, die ich mir im eisig (25 Grad) klimatisierten Büro bei der Erstbesprechung in der Springs & Bolts Company geholt habe. Noch etwas schöner wäre es, wenn wir aufgrund unserer Hautfarbe nicht ganz so viel Aufmerksamkeit erregen würden. Dauernd werden wir angequatscht und belagert. Aber alle sind sehr nett und haben eben Lust und Zeit mit uns ein Schwätzchen zu halten. Warum auch nicht?

Jugendlicher Verehrer, der mit mir spazieren gehen möchte

Warum auch nicht?

Sidi hat sowieso immer seine Fans, hier im Kente Village Bonweri

Des Königs Kleider

Musiktipp: Die Stilrichtung  Highlife kommt ursprünglich u.a. aus Ghana und vereint die europäische Musik mit der westafrikanischen, wie hier Santrofi mit Africa

Wunderschön, bunt und bedeutungsvoll sind die Kente-Webarbeiten.

Die verdammten Flughunde haben Frau Scherer komplett zugekackt. Wir sollten dringend unseren Stellplatz wechseln. Bis unsere neuen Federpakete fertig sind, haben wir noch ein paar Tage Zeit. In Kumasi befindet sich angeblich Westafrikas größter Markt, doch auf diesen haben wir wirklich keine Lust. Die ganze Stadt scheint sowieso nur einzig und allein aus aneinandergereihten Verkaufsständen zu bestehen.

Ursprünglich warendie Kentewebereien wohl als einfache Kleidungsstücke gedacht

Lieber fahren wir nach Adanwomase. Das Dorf ist bekannt für seine weltberühmte Webtechnik, Kente genannt. Ursprünglich waren die aufwändig gewebten, schmalen, bunten Stoffbahnen nur für die Kleidung von Königen bestimmt, heute darf sie jeder tragen. Alle Muster und Farben haben eine komplexe Bedeutung: Schwarz steht für das Land, Rot für Blut, Grün für Fruchtbarkeit, Gelb für Reichtum. Die Muster können ganze Familiengeschichten fassen und davon erzählen, wie einer durch Fleiß und Mut zu großem Reichtum gelangte oder sie sprechen von Unglück, Streit und Zerwürfnissen. Mehr zum Thema Kente findet ihr hier: https://www.kentecloth.net/

Weben ist Männersache

Im Dorf bekommen wir eine kleine Führung durch die Webereien und durch die Kakaoplantage. Ursprünglich in Südamerika beheimatet, hat die nützliche Kakaopflanze seit Ende des 19. Jahrhunderts einen großen wirtschaftlichen Stellenwert in Westafrika. Insbesondere in Ghana ist noch immer ein wichtigster Produzent von Rohkakao. Die Hälfte aller Farmer in diesem Land lebt vom Kakaoanbau. 70 Prozent der Exporteinnahmen des Landes stammen aus dieser Quelle.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor: Kakao

Allerdings leiden die Landwirte in Ghana sehr unter dem Verfall der Weltmarktpreise. Auch gibt es im Land kaum kakaoverarbeitende Fabriken. (Quelle: http://westafrikaportal.de/kakao.html). Das führt zu dem  grotesken Ergebnis, dass es kaum Schokoladen aus Ghana gibt. Eine kleine, rote Tafel gibt es dann aber dann doch ab und zu zu kaufen. Sie schmeckt wie Blockschokolade, die bei uns zum Backen und Kochen verwendet wird.

Unreife Kakaofrüchte

Übrigens kann man fast alle Teile des Baumes verwenden. Neben dem Samen, der für die Gewinnung des Kakaopulvers genommen wird, kann auch das weiße Fruchtfleich gegessen werden. Die Schale wird zu einem Puder zerrieben, aus dem Seifen hergestellt werden, das Holz dient zum Heizen, und die Blätter werden zu Tees gegen Blutarmut und andere Krankheiten verarbeitet.

Reife Kakaofrucht

Unsere Tour durch das Dorf führt uns außerdem zu einem Voodooschrein, den wir zuerst gar nicht als solchen erkennen. Im Hinterhof eines Wohnhauses zeigt man uns eine kleine, vergitterte und verräucherte Kammer. Darin stehen ein paar Schnapsflaschen. Mehrere Zigarettenschachteln liegen außerdem herum. „A ghost lives here!“, sagt unsere Führerin und erschaudert dabei. Sie sei Christin, sagt sie,  und fühle sich unwohl hier. Ich finde es lustig, dass der Geist namens „Tikeli“ offenbar ganz weltliche Laster hat. Als sie weitererzählt, dass hier regelmäßig Hunde geopfert werden, vergeht aber auch mir das Lachen. Auch Heppo wirft nun einen besorgten Blick auf Sidi und nimmt ihn etwas kürzer an die Leine. Schnell weg hier!

Unserer erster Voodooschrein. Hier wohnt der Geist Tikeli.

Schon stehen wir vor dem Königspalast. Angesichts des eher mittelmäßigen Zweckbaus wäre wir – ähnlich wie beim Schrein – auch hier nicht auf die eigentliche Funktion gekommen. Doch wir haben Glück: König Nana Kwadwo Ntiamoah Panin II und seine Mutter Nana Korama Bimpomaa I geben gerade einen Empfang. Aus irgendeinem Grund werden wir dazu eingeladen, den Palast zu betreten und dem König und seinen Hofstaat unsere Ehrerbietung zu erweisen. Wir bekommen genaue Anweisungen: Nicht fotografieren! Zuerst vor den Königsthron treten und verbeugen, dann nochmal die Runde drehen und den Würdenträgern die Hand geben. Der blutjunge und hübsche König lächelt uns freundlich an. Seine Mutter kann sogar ein paar Worte Deutsch: „Guten Tag!“, sagt sie. „Aus welcher Stadt kommen Sie?“, fragt sie. Ich antworte: „München.“ Und sie erwidert: „Ich kenne Hamburg. Sehr schön!“

Dieser Würdenträger ließ sich gerne fotgrafieren.

Wir fühlen uns ziemlich geehrt, dass wir nun auch noch eine Audienz bei einem König hatten. Allerdings ergibt eine nachträgliche Recherche, dass Ghana unzählige lokale Stammesfürsten hat, die sich allesamt König nennen können. Ein für Außenstehende ziemlich undurchschaubares System ist das, dass einst von den Kolonialmächten nach Leibeskräften unterstützt wurde. Lokale Herrscher wurden protegiert, um den Nachschub an Gold und Sklaven (Gefangene anderer und verfeindeter Stämme) nicht zu gefährden.

Was für ein aufregender Tag! Heute haben wir uns mit einem König und seiner Mutter unterhalten können, den rauchenden und Schnaps trinkenden Geist Tikeli besucht und – auch das sollte ich noch erwähnen – wunderschöne, bunte Tischdecken aus Kentewebstoffen gekauft.

Farmer’s day: Der Bauer mit den größten Bananen wird prämiert! Als Preis winkt eine Giftspritze!

Statt Bananen fotografiert dieser Herr aber lieber mich – und ich ihn…

Die Kinder haben immer ihren Spaß!

Und hier noch ein Musiktipp aus den 70ern: Witch kommen zwar aus Sambia, aber der Name passt irgendwie zu Voodoo. Heute würde diese Band, der Stilrichtung Zamrock, locker auf jedem Stoner Rock Festival spielen können 🙂

https://www.youtube.com/watch?v=dZV-4tW5lKY

In der Federschmiede

Musiktipp: Ancestral Black von Djinji Brown:

Coole Jungs von der Federschmiede

Afrikaner sind echte Frühaufsteher. Schon um 5 Uhr morgens scheint ein jeder auf den Beinen zu sein. Und meistens beginnt ein Tag damit, dass akribisch der Vorhof gekehrt wird. Jeder noch so staubige Sandplatz wird penibel genau gefegt. Ich vermute, dass es darum geht, gefährliches Ungeziefer wie Spinnen und Schlangen in Schach zu halten.
Auch ich bin heute früh auf. Die ganze Nacht lag ich wach, weil ich nicht schlafen konnte. Gestern Abend gab es vor dem Zubettgehen noch das billige Reis-mit-Bohnengericht, das so heißt wie eine bayerische Backpfeife: „Watsche!“ Aua, jetzt tut mir wirklich alles weh, nur eben nicht die Wange, sondern der Bauch. Ich esse ja wirklich gerne sehr scharf, aber für die ghanaische Küche braucht man echt einen Waffenschein – ehrlich!

Sieht professionell aus

Heppo hatte ebenfalls kein Auge zugemacht. Die Federproblematik lässt ihm keine Ruhe. „Kann doch nicht sein, dass hier keine neuen Teile aufzutreiben sind!“, brummelt er vor sich hin und durchstöbert das Internet nach einer Federschmiede. „Bingo! Springs & Bolts Company in Kumasi!“ Nur dumm, dass in Ghana niemand eine Postadresse zu haben scheint, stattdessen gibt es auf der Website nur eine P.O.Box und ein nicht funktionierendes Kontaktformular. Auch die angegebene Telefonnummer läuft ins Leere. Schade! Doch die Firma scheint zu existieren. Die Teilehändler vom Magazine liefern uns eine ungefähre Wegbeschreibung, die uns in das Stadtviertel Aksowa zum Police Headquarter führt. Dort werden wir vom Chef persönlich abgeholt. Ziemlich versteckt in einem Hinterhof liegt die Schmiede, die auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck macht: Sauber ist diese und gut ausgestattet: Maschinen aus Indien samt indischem Ingenieur. Auch der Preis für vier neue Federpakete scheint unschlagbar zu sein, pro Stück nur 100 Euro. Fast schon etwas zu schnell sind unsere alten Federn vermessen. In vier Tagen sollen wir wiederkommen, dann könnten wir die neuen Teile einbauen.

Die Maschinen kommen aus Indien

Kein schlechter Arbeitsplatz

Zum Übernachten fahren wir in das ruhige Univiertel und finden einen schönen Schlafplatz neben dem Botanischen Garten, unter Bäumen, in denen tausende Flughunde wohnen. Schlafen können wir aber wieder nicht, die Viecher machen einen wahnsinnigen Radau!

Oase der Ruhe: Der botanische Garten von Kumasi


Was Ihr wollt immer noch tanzen? Da hab ich was für Euch: yorubarecords

Im Schrauberviertel von Kumasi

Trotz unserer verfrühten Rückkehr nach Deutschland möchte ich nach wie vor von Afrika berichten. Hier geht es also nun weiter mit einem Bericht aus Ghana (Dezember 2019):


Ersatzteilhändler in Kumasi, Foto: Heppo

Frau Scherer im Schrauberviertel Magazine in Kumasi

Mit Schrittgeschwindigkeit und eingeschalteter Warnblinkanlage fahren wir weiter in Richtung Kumasi. Die Hauptstadt des wegen seiner Goldvorkommen berühmten Ashantireiches, dass sich einst über das Staatsgebiet von ganz Ghana plus Teile der benachbarten Länder Mali, Togo und Cote d‘Ivoire erstreckte, ist heute vor allem ein wichtiges Handelszentrum. Mit etwa knapp 3 Millionen Einwohnern übertrifft sie sogar die Hauptstadt Accra, wo nur etwa 2,3 Millionen Menschen leben.

Unzählige Kilometer legen diese Frauen zu Fuß zurück

Quirlig es hier, keine Frage. Auf den Straßen: ein andauernder Verkehrsstau. Die langen Ampelpausen werden von den Verkäufern genutzt, um Waren aller Art an die Reisenden zu verkaufen. Nichts, was es nicht gibt: Toilettenpapier, Waschmittel und natürlich Wasser aus Plastiktüten und kleingeschnittenes Obst. Dutzende von Kilometern legen diese Menschen an einem Tag zurück. Bei der Ampelphase Grün laufen alle wieder nach vorne, um sich dann bei Ampelphase Rot wieder an das hintere Ende der Warteschlange vorzuarbeiten. Stundenlange Schwerstarbeit ist das, bei 35 Grad und 90 % Luftfeuchtigkeit und inmitten lungenschädlicher Abgaswolken. Viele dieser armen Geschöpfe arbeiten noch nicht mal auf eigene Kasse, sondern für einen Boss, dem sie am Ende des Tages einen Großteil der Einnahmen schuldig sind. Dazu der permanente Lärm – Ghana mag es extrem. Links und rechts der Straße rumst und wumst es aus mannshohen Lautsprechertürmen. Wanderprediger stehen dazwischen und plärren in ein Mikrofon. Hauptsache: ohrenbetäubend. Hauptsache: bunt. Hauptsache: Reizüberflutung.

Arme Frau Scherer

In Kumasis Schrauberviertel „Magazine“ ist – obwohl kaum vorstellbar – alles noch krasser. Wir hatten uns eine halbwegs ordentliche Aneinanderreihung von Werkstätten und Geschäften vorgestellt, so wie wir das zum Beispiel aus dem Iran kennen. Aber das ist Afrika, und „Magazine“ ist nur ein riesiger Schrottplatz. Hier ein gigantischer Haufen von Motoren, hier ein Berg Reifen, dort Felgen, dazwischen Motorhauben und allerlei Undefinierbares, und zwischen den ölverschmierten Teilen steht schon wieder ein Prediger. Schade, dass wir nicht verstehen, was er in diesem apokalyptischen Szenario so von sich gibt. „Das ist wirklich das Anarchistische, was ich je gesehen habe!“, sagt Heppo beeindruckt. Als ich wenig später mit Sidi spazieren gehe, bin ich fast schon schockiert. Das einzige Fleckchen Natur in diesem Autowahnsinn ist ein kleiner Friedhof neben der Straße. Sidi, an Toilettengänge im Grünen gewöhnt, zieht mich begeistert in Richtung der Bäume und Büsche zwischen die Grabsteine. Auch hier wird gearbeitet. Zwischen den Gräbern werden mechanische Teile zerlegt und gesäubert, kompletteFamilien picknicken auf den Grabsteinen. Viele haben es sich auf den mit kühlen Fliesen verkleideten Gedenkstätten lang ausgestreckt und halten ein Nickerchen. Alles ist hier möglich! Dass Sidi erleichtert zwischen den Denkmälern sein Geschäft erledigt, muss mich nicht stören: Er ist damit wirklich nicht der Einzige.

John hat alles gut im Blick!

Über Franz von der Allrad-Lkw-Gemeinschaft bekommen wir den Kontakt zu einem Deutschen, der in Ghana bei einer Goldmine arbeitet. Thorsten verspricht uns zu helfen und schickt uns seinen Chefmechaniker. Während wir auf diesen warten, haben wir aber bereits die Aufmerksamkeit der vielen anderen Mechaniker erregt. „Leaf springs, no problem at all!“, den Spruch kennen wir schon. Wir sind und bleiben skeptisch. Nach unseren bisherigen Erfahrungen kann immer jeder alles, mit dem Ergebnis, dass am Ende meistens alles schlimmer ist als zuvor. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Als Chefmechaniker John schließlich zu uns stößt, übernimmt er sowieso nur die Einsatzleitung: Er besorgt eine gebrauchte Feder, sucht einen Schmied, der ein Federauge schweißen kann und organisiert die Mechaniker, die uns das umgemodelte Ersatzteil einbauen. Gut, dass Heppo trotzdem noch mithilft. Wenn er nicht aufgepasst hätte, hätten wir nun einen verbogenen Rahmen und abgerissene Bremsleitungen!

Was für ein unglaublicher Ort!, Foto: Heppo

Magazine ist eigentlich ein gigantischer Schrottplatz, Foto: Heppo

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